Angesichts multipler Krisen hat Bundeskanzler Karl Nehammer angekündigt, dass die "Stunde der Bewährung" unserer Politik geschlagen habe. Das sollte uns Sorge bereiten. Unsere Politiker sind eher Schönwettersegler, die bei leichter Brise auf Kurs bleiben können, mit Meinungsumfragen als Kompass. Aber nun ziehen Stürme auf.

Bundeskanzler Karl Nehammer kündigt die "Stunde der Bewährung" an.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Einerseits fehlt der Kurs. Gewählt und wiedergewählt zu werden ist Teil des Jobs. Ob die Gewählten etwas erreichen möchten für dieses Land, bleibt ein Geheimnis. Was ist Nehammers oder SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagners Vision für Österreich 2040? Für Sicherheit? Für Pensionen? Für Bildung?

Andererseits fehlt es am Handwerk für raue See. Profis bewältigen Energieprobleme und Pandemien oder gestalten Neues, indem sie analysieren, Pläne bauen, Daten sammeln, Fortschritte messen, nachschärfen und bei Bedarf sogar den Kurs ändern. Bei uns geht man es hingegen meist unbekümmerter an, manchmal wegen eines Geltungsdrangs ("Auf nach Moskau!"), manchmal weil die Daten, die Ressourcen oder das Wissen fehlen. Unsere Politikerkaste neigt dazu, sich auf das zu konzentrieren, was leicht messbar und schnell umsetzbar ist; Boulevard- und soziale Medien, in denen sich laute und einfache Botschaften gegenüber reflektierten Betrachtungen durchsetzen, befeuern sie.

Die Gießkanne auspacken reicht nicht

Ein typischer Ansatz ist, eine große Ausgabe zu lizitieren. Wenn die eine hundert Millionen für eine Initiative an Schulen will, sagt der andere eine Bildungsmilliarde an. Das Problem ist aber: Politik funktioniert nicht wie ein Getränkeautomat, wo man oben eine Münze einwirft und unten das gewünschte Ergebnis rauskommt. Zwischen wissenschaftlichen Ergebnissen und einer brauchbaren Entscheidung für das Land liegt Arbeit, die die Politik zu erledigen hat. Für fast jedes Bauprojekt gibt es eine Umweltfolgenabschätzung. Aber für Gesetze, mit denen Milliarden ausgegeben werden, gibt es meist nur eine rudimentäre Politikfolgenabschätzung. Überlegungen, ob das Geld sinnvoll ausgegeben werden kann, oder schon nur Ex-post-Analysen, sind unsystematisch oder werden, siehe Rechnungshof, ignoriert.

Kein Kurs und schlechtes Handwerk: Das "Kaufhaus Österreich" ist ein Beispiel. Wer hat überlegt, wie es mit dem Kaufhaus Amazon konkurrenzieren soll oder wozu es ein zweites herold.at braucht? Und wenn man es schon baut, dann nicht so kläglich in der Ausführung. Ähnliches gilt, auf viel bedrohlicherem Niveau, für die Notfallplanung, wenn russisches Gas ausfällt.

Es fehlt an Qualifikation

Viele Politiker in wichtigen Positionen ahnen, dass sie nicht ausreichend qualifiziert sind für ihre Verantwortung, zu unerfahren ins Amt gehievt wurden. So segeln sie, wo der Wind sie hintreibt, in der Hoffnung, dass der Sturm schon nicht so schlimm wird, aber genagt von Selbstzweifel. Selbstzweifler geben fehlerhafte Strategien langsamer auf, wie der US-amerikanische Autor Joseph Hallinan beschrieben hat, und finden seltener Alternativen.

Wenn sich unsere Politik im Sturm nicht bewährt, wird, in den unsterblichen Worten der Kurt Gober Band (KGB), der "Kapitän in großer Not sein", aber leiden werden vor allem die, die sich keine Schwimmweste leisten können. Aber vielleicht geht es ja gut. Mast- und Schotbruch! (Veit Dengler, 4.7.2022)