US-Sänger Eugene S. Robinson sieht eine große Dunkelheit über die Menschen kommen.

Foto: Profound Lore Records

Mit der berühmten und noch immer schockierenden Augenschlitzerszene im 1929 von Luis Buñuel und Salvador Dalí veröffentlichten Kurzfilm Ein andalusischer Hund kann man diese Band recht schnell erklären. Das nach dem spanischen Surrealisten benannte US-amerikanische und italienische Quartett Buñuel sorgte also am Sonntagabend im Keller des Wiener Fluc am Praterstern für eine akustische Entsprechung zur drastischen Kunst des harten, schnellen und endgültigen Schnitts. Sprich, es gab akustisch ordentlich eins auf die Ohren.

Der Hammer zermerschert den Amboss, dessen Trümmer kartätschen den Steigbügel. Das Trommelfell wurde unmittelbar vorher durchschossen wie die Membran eines Marshall-Verstärkers im Gnadenbrot bei altvorderen Vertretern der Lauten und Tauben wie The Birthday Party, The Jesus Lizard, Helmet, Rollins Band, Scratch Acid, Tad, Unsane, Halo of Flies, Tar, God Bullies, Phünnhög oder Killdozer. Wie jetzt? Das 30, 40 Jahre alte Zeug kennt heute niemand mehr?

La Tempesta

Dann höre jetzt gut zu, du Quietschentchen-Zoomer: Das Publikum wählte früher bei solchen Konzerten ungefähr nach der vierten Nummer einen Sprecher oder eine Gruppenbeauftragte. Sie wurden dann von der hinteren Wand des Konzertsaals aus mit weißer Fahne zur Band vorgeschickt. Sie boten den Typen mit den weitaufgerissenen Amphetaminaugen oben auf der Bühne die sofortige und bedingungslose Kapitulation an: Wir geben euch unser ganzes Gold, unsere Getränkebons und kaufen auch eure schwarzen Angeber-T-Shirts am Merchandising-Stand – aber bitte, nehmt keine Geiseln! Und macht, dass das Pfeifen im Kopf übermorgen wieder weggeht. Wir erwarten dann nämlich einen wichtigen Anruf aus dem Bereich des Außenohrs. Übrigens, weiß jemand in der Gruppe einen guten Arzt, der sich bei H, N und O auskennt?

Das schwer nach spätem 1980er- und frühem 1990er-Noise-Rock klingende Quartett Buñuel setzt sich zu drei Vierteln aus voll auf die Zwölf gehenden italienischen Krawallmusikern aus dem Dröhnland namens Tinnitus und zu den restlichen hundertzehn Prozent aus dem irren afroamerikanischen Brülltier und Performer Eugene S. Robinson zusammen. Der sonst von der artverwandten US-Postpunk- und Noise-Rock-Band Oxbow bekannte Robinson stellte mit seinen drei so unerbittlich wie präzise auf den Punkt spielenden Henkern im Rahmen einer Ohrenschlankern und Hosenwascheln machenden Visitation im Fluc das aktuelle Album Killers Like Us vor.

Gaffa auf den Ohren

Laut Eigenbekunden geht es der Band dabei darum, aus einer schwierigen Situation das Beste zu machen, also das Schlechteste herauszuholen. Es geht in dieser Musik um Überforderung hin zum Kollaps. Ja, es geht bergab. Danach ist Frieden. Wir hören eine sirrende und pfeifende, nach Hörsturz klingende, geradezu kitschig klischeehafte Schneidbrennergitarre. Im Magen geht ein trocken und stahlhart bohrender Bass um. Dazu hält ein grobianisch pölzendes Schlagzeug die Songstrukturen zusammen. Das alles im Leben wird schon demnächst nicht gut ausgehen. Schatzi, kann ich mir bitte kurz deine Uzi ausborgen?

OnDetour

Eugene S. Robinson hat sich wie immer bei seinen Konzerten die Ohren mit schwarzem Gaffa-Band verklebt. Er kann unser kleinliches Mimimi nicht mehr ertragen. Der Mann ist kurz vorm Durchdrehen. Er stiert in den Saal. Er brüllt. Schwarze Energie durchströmt ihn. Die Hoffnung hat ihn verlassen. Gott hat sich abgewandt. Den Weg zu uns hat Gott gar nicht erst gefunden. Er nimmt sich jetzt den Strick und geht auf den Dachboden. Er will der Welt nicht länger zur Last fallen.

Der 44er-Magnum-Revolver auf dem Cover des aktuellen Buñuel-Albums Killers Like Us gehört übrigens Eugene S. Robinson. Niemand will, dass Eugene S. Robinson eine Waffe trägt. Alles geht den Bach runter. Tolles Konzert. (Christian Schachinger, 4.7.2022)