Werder Bremen wollte sich beim Trainingslager im Zillertal klar von der FPÖ abgrenzen – und tat dies mit fragwürdigen Methoden.

Foto: imago / nordphoto GmbH / Rauch

Werder Bremen steht zurzeit in den Vorbereitungen für die anstehende Bundeliga-Saison – und womöglich vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der FPÖ. Was ist geschehen?

Werder Bremen befindet sich auf Trainingslager im Zillertal. In direkter Nähe zum Trainingsgelände fand letztes Wochenende eine Veranstaltung der Tiroler FPÖ statt. Das nahm Werder Bremen zum Anlass, mit einem Foto der Veranstaltung auf Twitter klar Position zu beziehen: "Wir fühlen uns hier so sehr zuhause, dass wir auch im Zillertal dafür einstehen: KLARE KANTE GEGEN NAZIS", garniert mit dem Hashtag "nachbarnkannmansichnichtaussuchen".

Die Tiroler FPÖ konterte mit einer Klagsdrohung und offenen Beleidigungen. Doch wie könnte dieses Match vor Gericht ausgehen, sollte die Tiroler FPÖ tatsächlich Klage gegen Werder Bremen einbringen?

"Nazi" ist beleidigend

Die Beurteilung einer Person oder Vereinigung als politisch rechts- oder linksstehend ist an sich keine Beleidigung. Wenn es jedoch um die Bezeichnung als "Nazi" geht, sind die österreichischen Gerichte aufgrund der speziellen Bedeutung, die diesem Begriff in Österreich beigemessen wird, strenger und stufen ihn im Regelfall als beleidigend ein.

Entscheidend dafür sind zwei Faktoren. Einerseits die unterschiedlichen Bedeutungshinhalte, die diesem Begriff zukommen können – meint man damit einen ehemaligen Nazi oder einen Neonazi oder gar jemanden, der gegen das Verbotsgesetz verstoßen hat? Andererseits kommt es darauf an, ob die Behauptung in einem bestimmten, überprüfbaren Kontext gefallen ist, der die Bezeichnung als "Nazi" zu rechtfertigen vermag, oder eben nicht. Den kontextlosen und auch sonst nicht als wahr bewiesenen Vorwurf, jemand sei ein Nazi, erachten die österreichischen Gerichte bislang als beleidigend und daher unzulässig.

Tiroler SP-Chef verlor gegen Norbert Hofer

Bezeichnendes Beispiel der jüngeren Vergangenheit war ein von Norbert Hofer gegen Ingo Mayr, damaliger Vorsitzender der Tiroler SPÖ, angestrengtes Privatanklageverfahren. Mayr hatte am Tag der Bundespräsidentenwahl 2016 auf Facebook in Richtung Hofer gepostet, er würde keine Nazis unterstützen. Hofer klagte und verlor in erster Instanz.

Die Richterin erblickte in dem Umstand, dass die FPÖ, für die Hofer antrat, sich von rechtsextremen Gruppierungen nicht distanziere und sogar deren Kontakt suche, ein ausreichendes Tatsachensubstrat, das die Meinung Mayrs zu tragen vermochte. Das Berufungsgericht gab der Berufung Hofers jedoch statt, weil Mayr nicht einmal versucht hatte, den Wahrheitsbeweis für seine Behauptung zu erbringen.

In Deutschland gilt die Meinungsfreiheit

In Deutschland haben die Gerichte tendenziell eine andere Sichtweise. In einem bereits mehrere Jahre zurückliegenden Strafverfahren gegen einen Politiker der dortigen Grünen, der ein AfD-Mitglied als Nazi bezeichnet hatte, wog die Meinungsfreiheit schwerer. Entscheidend war, dass der Begriff "Nazi" als bloße, wenn auch scharfe Bezeichnung für eine politisch rechte Einstellung verwendet wird und es dem Grünen-Politiker um eine Abgrenzung zur AfD ging. Somit, so das Gericht, stand eine sachliche, wenn auch harsche Kritik an der Partei AfD im Vordergrund, weniger eine Herabwürdigung des als Nazi bezeichneten AfD-Mitglieds.

Doch was bedeutet all das nun für Werder Bremen und die FPÖ? Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheint, erfolgte der Tweet von Werder Bremen definitiv nicht ohne Anlass und nicht kontextlos. Werder Bremen vertritt traditionell eine eher linksgerichtete Weltanschauung und tat dies in der Vergangenheit gerade mit Blickrichtung auf die AfD schon oft kund. Die extreme politische Einstellung der FPÖ ist bekannt.

Abgrenzung legitim, Wortwahl problematisch

Wenn nun zwei entgegengesetzte Weltanschauungen aufeinandertreffen, ist eine Abgrenzung geboten. Genau das tat Werder Bremen und nahm die in direkter Nähe zu seinem Trainingsgelände stattfindende FPÖ-Veranstaltung zum Anlass, seine politische Position zu verdeutlichen und sich klar von der FPÖ abzugrenzen. Wie Werder Bremen es im Hashtag unumwunden zum Ausdruck bringt: Man kann sich seine Nachbarn nicht aussuchen, aber sehr wohl, wo nötig, klar von ihnen abgrenzen.

Somit bleibt noch die Wortwahl "Nazi". Hier stehen österreichische und deutsche Gerichte auf etwas unterschiedlichen Standpunkten. Es bleibt abzuwarten, ob österreichische Gerichte hier in Zukunft den von deutschen Gerichten vorgezeichneten Weg einschlagen, diese wenngleich heftige Bezeichnung zumindest im politischen oder weltanschaulichen Kontext im Rahmen einer öffentlichen Debatte gegenüber Politikern oder politischen Parteien doch als noch von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckte Wertung einzustufen.

Dessen ungeachtet verbleibt stets noch die Prüfung, ob es im Einzelfall nicht tatsächlich genügend Anhaltspunkte gibt, diese Wortwahl als Mittel der scharfen Abgrenzung für zulässig zu erachten. Ob dies im konkreten Fall auf die FPÖ zutrifft, sei dahingestellt und allenfalls der Beurteilung durch die Gerichte vorbehalten. (Sascha Jung, Christian Kern, 6.7.2022)