Für einige Jahre im Schatten anderer globaler Umweltprobleme, war das Ozonloch zuletzt wieder häufiger ein Thema, vor allem, weil es sich saisonal bedingt an den Polen der Erde immer wieder auftut und dabei teilweise Rekordausmaße erreicht. Nun aber zeigt sich, dass Lücken in der Ozonschicht auch abseits der Arktis und Antarktis eine Rolle spielen: Laut einem kanadischen Forschungsteam klafft auch über tropischen Regionen ein Ozonloch, das siebenmal größer ist als jenes über der Antarktis.

Die Ozonschicht liegt in der Stratosphäre und ist eine Region mit erhöhter Konzentration des Spurengases Ozon (O3). 90 Prozent des atmosphärischen Ozons verteilen sich in einem Bereich zwischen 15 und 50 Kilometern Höhe, die höchste Ozonkonzentration findet man 40 Kilometer über dem Boden. Die Ozonschicht absorbiert den größten Teil der schädlichen ultravioletten Strahlung der Sonne – Strahlen also, die Hautkrebs, grauen Star und eine Vielzahl von Umweltproblemen verursachen können.

2020 öffnete sich über der Arktis ein besonders großes Ozonloch. Nun zeigt sich: Auch über den Tropen ist die Ozonkonzentration geringer.
Illustr.: Esa

Wie die Löcher entstehen

Löcher in dieser Schicht entstehen bei extrem niedrigen Temperaturen, Sonnenlicht und unter Einfluss bestimmter chemischer Substanzen wie etwa Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW), die früher in Produkten wie Spraydosen, Pestiziden und Brandhemmern üblich waren und teilweise auch noch immer in Verwendung sind. Dass die Ozonschicht gerade über den Polen ausdünnt, liegt hauptsächlich daran, dass sich die schädigenden Chemikalien in polaren Wirbeln ansammeln, einem großen Bereich kalter Luft in der Stratosphäre, der sich jeden Winter über der Arktis und der Antarktis entwickelt.

Offenbar brauchte es den polaren Wirbel für ein Ozonloch aber gar nicht: Eine Gruppe um Qing-Bin Lu von der University of Waterloo in Ontario beobachtete nun eine umfangreiche ganzjährig ausgedünnte Zone in der unteren Stratosphäre der Tropen. "Die Tropen machen die Hälfte der Oberfläche des Planeten aus und beherbergen etwa die Hälfte der Weltbevölkerung", sagte Lu. "Allein die Existenz dieses tropischen Ozonlochs ist besorgniserregend."

Mittlere Ozonänderungen in Zeitreihen und die Verteilungen der Temperatur zeigen den Umfang des "neuen" Ozonlochs.
Grafiken: Qing-Bin Lu

Parallelen zu polaren Ozonlöchern

Und sie ist auch durchaus überraschend, denn herkömmliche photochemische Modellen sagen eine solcherart ausgedünnte Ozonschicht eigentlich nicht vorher. Vielmehr stimmen die gesammelten Daten mit dem CRE-Modell überein, bei dem es durch kosmische Strahlung zu Elektronenreaktionen kommt. Die physikalischen Mechanismen dahinter dürften jedoch sowohl bei den antarktischen als auch bei den tropischen Ozonlöchern identisch sein, schreiben die Forschenden im Fachjournal "AIP Advances".

Wie beim polaren Ozonloch beträgt der Ozonverlust im Zentrum der tropischen Ausdünnungszone im Schnitt rund 80 Prozent gegenüber normalen Ozonwerten. Nach bisherigen Messungen ist die Region flächenmäßig etwa siebenmal größer als das durchschnittliche Ozonloch über der Antarktis. Die Beobachtungen bedeuten vor allem, dass in den Äquatorregionen viele Menschen einer größeren Gefahr durch erhöhte UV-Strahlung ausgesetzt sind als erwartet.

Bedeutung für den Klimawandel

Laut Lu spielen die tropischen und polaren Ozonlöcher eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Temperaturen in der Stratosphäre. Der Erforschung dieser drei "Temperaturlöcher" an den Polen und über den Tropen komme demnach auch entscheidende Bedeutung für ein besseres Verständnis des globalen Klimawandels zu.

"Die vorliegenden Daten erfordern weitere sorgfältige Untersuchungen zum Ozonabbau", sagt Lu. Insbesondere sei es nun notwendig, Veränderung bei der UV-Einstrahlung, beim Krebsrisiko und bei anderen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Ökosysteme in den tropischen Regionen genauer unter die Lupe zu nehmen. (tberg, 6.7.2022)