Der Preisanstieg an den Tankstellen sei nicht aus dem Anstieg der Rohölpreise allein zu erklären, sagt die Bundeswettbewerbsbehörde.

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Wien – Marktmissbrauch, Kartellbildung oder Wettbewerbsbehinderungen attestiert die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nicht, aber deutlich gestiegene Margen, die die Treibstoffpreise zusätzlich in die Höhe getrieben haben. Das ist die Kernaussage der "Branchenuntersuchung Kraftstoffmarkt", die die BWB im Auftrag der Bundesregierung bei Treibstofferzeugern und Verkäufern durchgeführt und zu der sie am Donnerstag einen Zwischenbericht abgelegt hat.

Die BWB hat analysiert, ob die Preisanstiege an den Tankstellen aus der Entwicklung der Rohölpreise heraus erklärbar sind. Konkret ergaben die Berechnungen, dass sich die Treibstoffpreise in der ersten Junihälfte gegenüber der Zeit vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine von den Rohölpreisen entkoppelt haben.

Der Dieselpreis lag um rund 36 Cent pro Liter höher, und Benzin notierte um 41 Cent über den Preisnotierungen der Rohölpreise. Entkoppelt haben sich die Preise deshalb, weil die Rohölpreise nur um etwas mehr als rund 22 Cent pro Liter gestiegen sind.

Elf Euro mehr pro Füllung

Umgerechnet auf eine 50-Liter-Tankfüllung, zahlten die Konsumenten durchschnittlich in der ersten Junihälfte gegenüber der Zeit vor Beginn des Krieges allein aufgrund des Anstiegs der Rohölpreise um elf Euro netto mehr, sowohl bei Diesel als auch bei Benzin, rechnet die BWB beispielhaft vor. Zusätzlich zahlen die Konsumenten aufgrund der Steigerung der Bruttomargen 9,50 Euro bei einer Tankfüllung Diesel und 10,50 Euro bei einer Tankfüllung Benzin netto mehr. Die Mehrwertsteuer kommt jeweils noch hinzu – es trägt also auch der Fiskus seinen Teil zur Preisbelastung bei.

Verdreifachung der Bruttomarge

"Der aus dem Anstieg der Rohölpreise nicht erklärbare stärkere Anstieg der Preise an den Tankstellen von Diesel und Benzin führte über diesen Zeitraum zu einer Verdreifachung der Bruttoraffinierungsmargen", rechnet die BWB vor. Das bedeutet für Raffinerien einen durchschnittlichen Anstieg von rund sieben Cent pro Liter verarbeiteten Erdöls auf 23 Cent pro Liter. Die Bruttoraffinierungsmargen stiegen bei Diesel um rund 14 Cent pro Liter und bei Benzin um rund 20 Cent pro Liter. Die Bruttoraffinierungsmarge ist die Grundlage der Raffineriegewinne, wobei andere moderat angestiegene Kosten abgezogen werden.

Anders verhält es sich bei den Abgabestellen des Treibstoffes, also den Tankstellen. Hier habe es einzig im März 2022 Hinweise auf substanziell erhöhte Bruttomargen der Tankstellen gegeben. In den Folgemonaten lagen die Bruttomargen nur noch leicht über Vorkriegsniveau, schreibt die BWB in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Allerdings seien Transport- und andere Kosten gestiegen.

Die befragten Anbieter begründeten die Preisanstiege damit, dass es bei allen wichtigen Produktionsfaktoren zu deutlichen Preissteigerungen gekommen sei. Energiekosten, insbesondere Strom und Erdgas, seien je nach Vergleichszeitraum um 470 bis 600 Prozent gestiegen (Erdgas), und um 292 bis 467 Prozent verteuerte sich Strom. Die durch CO2-Zertifikate und Biokomponenten entstandenen Kostensteigerungen beschrieben laut Bericht 60 Prozent der befragten Unternehmen ebenso als gravierend, sie gaben die Steigerung der CO2-Kosten mit 80 bis 224 Prozent an, jene für Biodiesel mit 94 bis 107 Prozent (Ethanol) und um rund die Hälfte habe sich Biodiesel verteuert.

OMV, Shell, BP & Co

Untersucht beziehungsweise befragt wurden internationale Mineralölkonzerne, die Tankstellen in Österreich betreiben und Beteiligungen an Raffinerien halten, also OMV, Eni Austria, Shell Austria, die Jet-Tankstellen Austria sowie die österreichische Zweigniederlassung von BP Europe.

Fehlenden Wettbewerb auf Ebene der Tankstellen sieht die BWB nicht als Ursache für die gestiegenen Preise an der Zapfsäule, sondern die gestiegenen Notierungen an den internationalen Rohstoffmärkten.

OMV im Staatsbesitz

Bleibt die Frage, welche Schlussfolgerungen die Politik nun aus den gewonnenen Erkenntnissen zieht. Immerhin ist die OMV zu knapp einem Drittel in Staatsbesitz, es gibt also Einflussmöglichkeiten im Wege der Staatsholding Öbag, sogenannte Windfall-Profits oder Übergewinne abzuschöpfen beziehungsweise auf Zurückhaltung bei den Margen zu drängen. Beim teilstaatlichen Stromversorger Verbund wurde, wie berichtet, eine Sonderdividende abgeschöpft.

Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) wollte sich vor Vorlage des Endberichts nicht zu den Thesen der BWB äußern. Er fordert allerdings Zusatzinformationen über die überproportional gestiegenen Bruttomargen. Die Branchenteilnehmer sollten mögliche Kostenfaktoren offenlegen.

Ungerechtfertigte Gewinnaufschläge?

Vizekanzler Werner Kogler, der die BWB-Untersuchung mittels einer Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich Verdachts des Marktversagens im März ins Rollen brachte, sieht seine Argumente auf ungerechtfertigte Gewinnaufschläge gestützt. "Die Erdölkonzerne müssen sich jetzt erklären. Warum sind diese Bruttomargen so hoch? Bedeuten diese Margen, dass von einigen wenigen Konzernen überproportional hohe Gewinne realisiert werden?"

Der BWB sind aus derzeitiger Sicht die Hände gebunden. Sie hat weder gerichtsfeste Hinweise auf Kartellierung noch auf Marktmachtmissbrauch zutage gefördert. Die Behörde kann daher unmittelbar strukturelle oder verhaltensbezogene wettbewerbsfördernde Auflagen nicht anordnen oder bei dem für die Verhängung von Strafen oder Bußgeldern zuständigen Kartellgericht beantragen, betont die BWB.

AK fordert Preisprüfung

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl forderte umgehend ein Preisüberprüfungsverfahren nach dem Preisgesetz. "Mineralölunternehmen erzielen massive Übergewinne." Die Preise ließen sich nicht durch zusätzliche Kosten erklären. "Die Politik muss jetzt handeln. Diese Übergewinne müssen von der Bundesregierung abgeschöpft und den Verbraucherinnen und Verbrauchern zurückgegeben werden", fordert Anderl.

Auch der ÖAMTC kritisierte, dass "allen voran die Raffinerien" an den hohen Spritpreisen verdienen würden. "Es braucht eine rigorose Untersuchung dieser Fertigproduktmärkte durch die europäischen Wettbewerbsbehörden", hieß es vom ÖAMTC. (Luise Ungerboeck, 7.7.2022)