Wenn der Körper Eisen besser aufnehmen kann, verringern sich die Allergiesymptome.

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Es klingt absurd: Die Stoffe, die uns vor Allergien schützen, sind gleichzeitig dieselben Stoffe, auf die wir allergisch sein können. "Ein Paradoxon", sagt Franziska Roth-Walter vom Messerli-Forschungsinstitut der Med-Uni Wien. Anders formuliert: Allergien sind ein Teufelskreis. Mikronährstoffmängel können Entzündungen fördern und das Immunsystem besonders empfindlich gegenüber allergenen Stoffen machen.

Vor allem Eisenmangel signalisiert den Abwehrzellen Gefahr und führt zu einer erhöhten, übertriebenen Immunreaktion. Ein hyperaktives Immunsystem versetzt demnach den Körper in Alarmbereitschaft und hemmt dadurch die Aufnahme von Eisen – obwohl genau dieser Mikronährstoff zur Beruhigung der Überreaktion vermehrt gebraucht würde. Wie bringt man den Körper dazu, das Eisen aufzunehmen?

Hemmung der Eisenaufnahme umgehen

Roth-Walter beschäftigt sich schon lange mit möglichen Antworten auf diese Frage. Vor zehn Jahren hat sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen festgestellt, dass allergene Stoffe Eisenkomplexe transportieren können. Und wenn sie das tun, reagieren Allergikerinnen und Allergiker darauf nicht allergisch. Im Gegenteil: Es wird dann sogar die Toleranzentstehung gefördert. Durch das Essen eisenhaltiger Nahrungsmittel funktioniert das allerdings nicht. Es gehe deshalb darum, "Eisen ganz gezielt zuzuführen", sagt Roth-Walter.

Was das genau bedeutet, zeigt jetzt erstmals eine im "The Journal of Allergy and Clinical Immunology: In Practice" publizierte Studie. Die Untersuchung von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern des Messerli-Forschungsinstituts der Med-Uni Wien, Vet-Med-Uni Wien und Uni Wien bestätigt, dass eine gezielte diätische Maßnahme die Symptomlast bei allergischen Reaktionen verringern kann. "Wir konnten nachweisen, dass das deshalb so ist, weil Eisen direkt zu den Abwehrzellen transportiert wird und dort einen beruhigenden Effekt hat", erklärt Roth-Walter, die die Studie geleitet hat.

Reguläre Eisensupplemente nicht geeignet

Um diesen Transport zu gewährleisten, hat das Team eine Lutschtablette entwickelt – denn die Eisenaufnahme über die Nahrung oder über reguläre Supplemente funktioniert bei Allergikern nicht ausreichend. Die Tablette basiert auf dem Molkenprotein Beta-Lactoglobulin von Kühen, das als Träger für zahlreiche Mikronährstoffe fungiert. "Das Molkenprotein hat große Ähnlichkeit mit körpereigenen Proteinen. Durch diesen Träger erfolgt die Aufnahme statt über Blutgefäße über die Lymphe – also genau dort, wo Abwehrzellen vermehrt anzutreffen sind und die Mikronährstoffe gezielt aufgenommen werden können", erklärt Roth-Walter vom Messerli-Forschungsinstitut. Vereinfacht gesagt: Mit dem Molkenprotein wird ein anderer Weg in den Körper genommen. Es versteckt das Eisen und schmuggelt es quasi direkt zu den Abwehrzellen.

Da eine Tablette mit weniger als einem Milligramm eine sehr kleine Eisenmenge aufweist, gilt sie nicht als Eisenpräparat. Vielmehr ist der Mikronährstoff darin in einer Form enthalten, mit der die allergiebedingte Hemmung der Eisenaufnahme umgangen werden kann.

Allergiesymptome fast um die Hälfte verringert

Die Lutschtablette wurde im Rahmen der Studie erstmals doppelblind und Placebo-kontrolliert getestet. Das Ergebnis: Mit der Einnahme verringerte sich die Symptomlast bei Menschen, die auf Birken- und Gräserpollen allergisch sind, deutlich. Darüber hinaus verbesserte sich der Eisenstatus in den zirkulierenden Monozyten, ebenso die Werte der roten Blutzellen. Nach sechsmonatiger Einnahme der Lutschtablette in Kombination mit den notwendigen Medikamenten konnte in der Hauptsaison der Birkenpollen bei den Patientinnen und Patienten eine 45-prozentige Reduktion der Symptome erreicht werden. So eine Tablette ist bereits in Apotheken und online erhältlich, ihre Inhaltsstoffe sind neben Eisen, Vitamin A und Zink vor allem Beta-Lactoglobulin.

In der Behandlung von Allergikerinnen und Allergikern gilt das als völlig neuer Zugang. Bisher galt die spezifische Allergen-Immuntherapie als einzige ursächliche Behandlungsmöglichkeit zur Linderung allergischer Erkrankungen. Dabei wird ein Allergen spezifisch gegen die jeweilige Allergie eingesetzt, etwa Birkenpollen gegen Birkenpollen-Allergie. "Die Versorgung der Abwehrzellen mit Mikronährstoffen über die Lutschtablette zeigte eine ähnlich starke Wirksamkeit, und zwar auf komplett allergenunabhängige und daher universelle Weise", betont Roth-Walter. (poem, 12.7.2022)