Foto: Kaelan Barowsky

Die Ripperln brutzeln auf dem Grill, das Dosenbier im Eis setzt einen Wasserfilm an, und drüben unter der alten Magnolie stehen ein Drumkit, ein Bass und eine Gitarre. Es ist Summertime, das Living ist easy, die Leber schwer.

Die Musik zu so einem lukullischen Treffen muss passen – Auftritt G. Love. Der US-amerikanische Musiker ist der Gastgeber und steuert den Soundtrack zum Barbecue bei. Special Sauce heißt seine Band Grill-affin, doch auf dem aktuellen Album hat sie wieder einmal Pause. Das macht aber nichts. Denn auch ohne sie ist G. Love eine Bank im Genre der lässigen Hinterlandmusik.

Das unterstreicht sein neues Album Philadelphia Mississippi. Es verbindet schon via Namensgebung die Großstadt mit der Provinz entlang des Big River und beschreibt eine Musik, deren Ausrichtung sich in der Gästeliste spiegelt: Vom Rapper Schooly D bis zum Blueser Alvin Youngblood Hart sind alle der Einladung zum Grillen gefolgt.

Jazz als Klebstoff

G. Love ist so etwas wie ein ewig junger alter Hase. Der bürgerlich Garrett Dutton gerufenen Endvierziger ist in den 1990ern aufgetaucht. Seinetwegen belebte Sony Music das traditionelle Blues-Label OKeh wieder, um ihn und ein paar artverwandte Acts mit dem entsprechenden Umfeld, mit der passenden Aura auszustatten.

Immerhin zählt das vom deutschen Auswanderer Otto Karl Erich Heinemann 1918 gegründete Label zu einem der bedeutendsten Blues-Verlage. Und nachdem es in den 1970ern auf Eis gelegt worden war, erweckte es erst G. Love aus dem Dornröschenschlaf.

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Er und seine Special Sauce traten mit einer Mischung aus Hip-Hop und Blues auf den Plan. Eine naheliegende Kombination, doch es bedurfte einiger Bleichgesichter aus Boston, um den bei urbanen Afroamerikanern nicht so toll beleumundeten Blues mit Hip-Hop zu vermählen. Und zwar nicht in dem damals üblichen Crossover-Gehabe mit der Brechstange, sondern mit Jazz als Klebstoff, organisch verwoben, von einer echten Band eingespielt.

Jim und Luther Dickinson

Das Debüt erfreute mit Songs wie Cold Beverage, Shooting Hoops oder This Ain’t Living die Seher von MTV gleichermaßen wie jene Fans, die tags zuvor noch gar nicht gewusst hatten, dass Blues mit Hip-Hop zusammengeht. Aus dem Erfolg entstand für G. Love quasi die Auflage, für das nächste Album runter in den Süden zu fahren.

Dort produzierte Jim Dickinson das bessere, aber kommerziell nicht so erfolgreiche Album Coast to Coast Motel mit dem hinreißenden Song Kiss and Tell. Doch der Grundstein für eine lange Karriere war gelegt – Trennung und Reunion inklusive. Und noch etwas.

Oldie but Goldie: Kiss and Tell.
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Luther Dickinson, der Sohn des Produzenten Jim, war in den 1990ern zwar noch eine Kaulquappe, doch die Freundschaft zu G. Love verfing, und so ist das neue Album nun unter Luthers Produzentenhänden entstanden. Der ist mit den North Mississippi Allstars eine große Nummer im Fach der progressiven Traditionspflege, er kann also mit der Musik von G. Love.

Lebensfreude pur

Mississippi Philadelphia ist entsprechend von Rhythmen genährt, die ein Bein im Blues und eines im Hip-Hop haben. Die Texte sind lebensnah und positiv, funny. Beim Barbecue wird nicht über Außenpolitik gesprochen.

G. Love & Special Sauce

Die Musik ist Lebensfreude pur, die Gitarre spielt G. Love gern notenfaul slide, die Gäste helfen als Chor aus, das gibt dem Album einen Schuss Soul. Irgendwer setzt sich ans Klavier, alles fällt locker wie von selbst. Aus der Nachbarschaft schaut die Fife-Spielerin Shardé Thomas vorbei und flötet mit, die Stimmung ist ausgelassen, die Sonne geht langsam unter, die Party kommt gemütlich in Fahrt.

Gastgeber G. Love spielt souverän durch, ist an der Stelle aber in den Hintergrund getreten: Er überlässt den Gästen das Licht, und sie glänzen alle. Am Ende wird es einer dieser Abende sein, über den dann beim nächsten Mal gesungen wird. Kann bitte jemand die Ripperln wenden? Danke. And cheers y’all! (Karl Fluch, 12.7.2022)