Gestreckte Mittelfinger zum Independence Day: Oscarpreisträgerin Jessica Chastain drückt ihre Meinung über das Vorgehen des Obersten Gerichtshofs in aller Deutlichkeit aus.

Screenshot Twitter

Ende Juni war Maya Hawke, die Tochter von Ethan Hawke und Uma Thurman, in der Tonight Show zu Gast. Nach einem Anfangsgeplänkel brach sie plötzlich in einen leidenschaftlich-nervösen Wortschwall aus, der ganz an Robin, ihre Figur in Stranger Things, erinnerte: Sie wolle von ihrer Mutter erzählen, die einen persönlichen Essay über ihre eigene Abtreibung als Teenager geschrieben hatte, nachdem Texas im Herbst das sogenannte Herzschlaggesetz erließ, das Abtreibungen ab dem Zeitpunkt verbot, zu dem der Herzschlag im Ultraschall messbar ist.

The Tonight Show Starring Jimmy Fallon

Ohne die Möglichkeit eines rechtmäßigen, medizinisch betreuten Schwangerschaftsabbruchs hätte es weder Pulp Fiction noch sie selbst, Maya, gegeben. "Fuck the Supreme Court!", fluchte Maya dann unter tobendem Applaus, um mit Blick in die Kamera zu schließen: "Wir werden kämpfen und siegen, wie unsere Großmütter auch!"

Für Maya Hawke, Jahrgang 1998, ist die erste Generation der Pro-Choice-Aktivistinnen tatsächlich die Großmüttergeneration. 1973 legalisierte der Supreme Court mit dem Fall Roe v. Wade landesweit Schwangerschaftsabbrüche im ersten Trimester. Dies hatte, wie weitere Antidiskriminierungsgesetze der 1960er- und 1970er-Jahre, einen von langer Hand geplanten konservativen Backlash zur Folge, der nun in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs des Landes ans Licht kommt.

Vorwurf der Heuchlerei

Obwohl die Demokraten parlamentarisch über die Mehrheit verfügen, werden sie derzeit vom konservativen Supreme Court überrollt, dessen Entscheidungen erschreckend an die christlich-fundamentalistische Revolution in der dystopischen Serie Handmaid’s Tale erinnern.

Motive aus Handmaid’s Tale finden sich in der für Abtreibungen kämpfenden Pro-Choice-Protestbewegung zuhauf. In Form einer US-Flagge, die nicht aus Stars and Stripes, sondern aus Mägden mit weißen Hauben besteht, ist eines davon als unterstützende Geste unter einem Posting der Oscarpreisträgerin Jessica Chastain zu finden. Am 4. Juli veröffentlichte Chastain auf ihren sozialen Medienaccounts ein Foto mit erhobenen Mittelfingern und dem Schriftzug: "Alles Gute zum 'Unabhängigkeitstag' von mir und meinen reproduktiven Rechten!"

Doch die Reaktionen waren nicht nur positiv: Fotos, die sie mit Harvey Weinstein zeigen, und Berichte über Chastains eigene Surrogat-Mutterschaft in den Kommentaren zielen darauf ab, ihre Unterstützung von "Planned Parenthood" zu entwerten und sie als Heuchlerin darzustellen.

Als Heuchler anderer Art bezeichnete Samuel L. Jackson den konservativen Obersten Richter Clarence Thomas, den einzigen Afroamerikaner im Supreme Court, der als Hardliner gilt und bereits angekündigt hat, dass er sich als Nächstes dem Zugang zu Verhütungsmitteln und der gleichgeschlechtlichen Ehe widmen werde. Daraufhin tweetete Jackson: "Was denkt Onkel Clarence über die Aufhebung des Urteils Loving gegen Virginia?!"

Loving v. Virginia war der Gesetzesentscheid, der 1967 die Ehe zwischen Schwarzen und Weißen legalisierte, der Verweis auf "Onkel Tom" ist eine Verspottung des devoten, einem weißen Herrn dienenden Sklaven. Auch Whoopi Goldberg, die vor Roe v. Wade als 14-Jährige mit selbstgebrauten Giftmischungen und einem Kleiderhaken eine Fehlgeburt herbeigeführt hatte, sprach sich scharf gegen Clarences "Korrekturkurs" aus: "Du solltest hoffen, dass sie nicht zu dir kommen, Clarence, und sagen, dass du nicht mit deiner Frau verheiratet sein solltest, die zufällig weiß ist."

Solidarisch mit Mehrheit

Goldberg und Thurman sind nur zwei einer Reihe von Schauspielerinnen und Popstars, die sich gegen die Entscheidung des Supreme Court positionieren, indem sie ihre Schwangerschaftsabbrüche publikmachten. Doch nicht alle waren Teenager wie sie – für Laura Prepon, bekannt aus Orange Is the New Black, war es ein medizinisch notwendiger Eingriff, um eine Totgeburt abzuwenden. Für Alyssa Milano und andere war es schlicht der falsche Zeitpunkt, um Mutter zu werden.

Nun ist in den USA alles eine Frage des Geldes – Hollywoodstars werden weiterhin in der privilegierten Situation sein, auf gute medizinische Betreuung zurückgreifen zu können – der Protest aus Hollywood ist somit vorwiegend eine Solidaritätsbekundung mit der US-Bevölkerung, die mehrheitlich für legale Abtreibung ist, sowie mit denjenigen, die nun in die Illegalität getrieben werden. Er ist ein Aufbegehren gegen eine konservative Legislative, die die Gesetzgebung der "Gründerväter" allzu wörtlich auslegt und sich damit in nichts von religiösen Fundamentalisten unterscheidet. Abzuwarten bleibt, wie sich das politische Klima auf zukünftige Drehbücher auswirken wird. (Valerie Dirk, 12.7.2022)