Moriz Nährs bekanntes Porträt von Gustav Klimt mit einer Katze im Arm, aufgenommen im Hinterhof seines Ateliers in der Josefstädter Straße 1911.

Moritz Nähr, © Courtesy Johannes Faber

Gehüllt in seinen kuttenartigen Malerkittel steht Gustav Klimt vor seinem Atelier und drückt eine schwarz-weiße Katze an seine Brust. Besonders wohl scheint sich die oder der Geherzte allerdings nicht zu fühlen. Anders als das offenherzig-freundliche Mienenspiel des Malers blickt das Viecherl eher skeptisch drein, bleibt ihm ja die Flucht aus dem liebevollen Würgegriff vorerst verwehrt. Wer da im Mai 1911 die Hinterhofidylle in der Josefstadt störte? Es war der Fotograf Moriz Nähr, den eine enge Künstlerfreundschaft mit Gustav Klimt verband.

Es ist nicht die einzige Aufnahme, die im Laufe der Jahre von Klimt entstehen wird, es bleibt jedoch die rückblickend mit Abstand prominenteste. Um repräsentatives Posing ging es hier nicht, vielmehr dokumentierte Nähr einen in seiner Schlichtheit fast schon rührenden privaten Moment im Leben des international bekanntesten österreichischen Künstlers, der am 14. Juli seinen 160. Geburtstag gefeiert hätte.

Es handelt sich um ein Jubiläum, für das die Ausstellungsmaschinerie hierzulande heuer nur sehr beiläufig angeworfen wurde. Gefühlt haben kunsthistorisch Zuständige und Kuratoren und Kuratorinnen ja eh schon sämtliche Ritzen seines Schaffens ausgeleuchtet und nahezu jedes für die Forschung relevante Fitzelchen Papier veröffentlicht. Ein Irrglaube. Den Gegenbeweis werden die niemals untätigen Klimt-Jünger in den nächsten Jahren schon noch liefern.

Doch kein Katzenfreund?

Nur bei einem Thema kommt solcher Eifer jahraus, jahrein flott zum Erliegen: erraten, wenn es um Klimt und seine Katzen geht, um die posthume Ernennung zum Katzenfreund, für die Nährs gelungener Schnappschuss als Beleg und Projektionsfläche gleichermaßen herhält. Tatsächlich geizte der Künstler mit konkreten Anhaltspunkten, die ihn zweifelsfrei als Katzensympathisanten bestätigen würden.

Sieht man von einer Großkatze in der Allegorie der Fabel (1883) ab, wird man die kleinen domestizierten Verwandten in seinen Gemälden vergeblich suchen. Der Einwand, solche könnten sich ja hinter Obstbäumen und blühenden Sträuchern oder unter den Roben der Porträtierten des Wiener Geldadels verstecken, hält mangels konkreter Indizien nicht.

Dies scheint eine motivische Lücke im Œuvre des Künstlers also, die – Bedarf hin oder her, Umsatz jedenfalls – von der Kitschindustrie längst geschlossen wurde: mit Variationen vom Kuss oder der Goldenen Adele beispielsweise. Dass Klimt darob seit Jahren schon im Grab rotiert, interessiert ja keinen, Katzenfans am allerwenigsten.

Angelehnt an das berühmte "goldene" Bildnis von Adele Bloch-Bauer kreierte Kilkennycat, eine unter Pseudonym arbeitende US-Amerikanerin, eine Version mit Klimts schwarz-weißer Katze.
Foto: Scan DER STANDARD © Kilkennycat, Rebubble

Die seriöseste Spur verdankt die Nachwelt dem Schriftsteller und Kunstkritiker Arthur Roessler: "Als ich einmal bei Klimt saß und in einem Halbtausendblatthaufen kramte, umgeben von acht oder zehn mauzenden und schnurrenden Katzen, die spielend einander jagten, dass die raschelnden Studienblätter nur so stoben, fragte ich verwundert, warum er dieses Treiben dulde, das hunderte der schönsten Zeichnungen verdürbe."

Das beste Fixativ

Klimt habe daraufhin schmunzelnd entgegnet: "No mein, wenn sie auch das eine oder andere Blatt zerknittern und zerreißen, das macht nix; dafür wischerln s’ auf die anderen, und wissen S’, das ist das beste Fixativ!" Öffentlich bislang kaum bekannte Hinweise fördert eine Anfrage bei der Klimt-Foundation zutage, genauer die dort in finaler Umsetzung befindliche "Gustav Klimt Datenbank". Ein Eintrag verweist auf eine Postkarte an Emilie Flöge aus dem Bestand der Nationalbibliothek, die Klimt im Jahr 1917 verfasste.

Darin erwähnt er einen Kater namens Lorchen, der "wie ein Kriegsgefangener" aussehe, "maust und beißt – nur der kleine Gustl", einer seiner unehelichen Söhne, könne "mit ihm tun, was er will". Ein weiterer Treffer der Datenbank führt zu einer um 1908 von Klimt gezeichneten Studie, die sich in einer unbekannten Privatsammlung befinden dürfte. Sie zeigt eine Frau, in deren Schoß eine Katze schlummert: mit weit von sich gestreckten Pfoten und einem schwarz-weißen Fellkleid, das sie mutmaßlich als jene auf dem Foto identifiziert. (Olga Kronsteiner, 14.7.2022)