Mit ihm war, so man Musik kritisierte, nicht gut Kirschen essen: Georg Kreisler (1922-2011), ingeniöser Autor von Opern und von "Everblacks".

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Der Schlag, den der Kabarettist Georg Kreisler (1922–2011) gegen die Berufsgruppe der Musikkritiker führt, ist vernichtend. Er kommt aus völlig unvermuteter Richtung. Der Mann, der sich mit jauchzender Stimme als Schweinsohr zu erkennen gibt, der hohnerfüllt lacht, wenn Musik von "Orff und Egk und Boris Blacher" gegeben wird, ist gar kein solcher. Man schreibt das Jahr 1959, und Kreisler singt, er sei "beruflich Pharmazeut".

Damit stellt dieser schwarzhumorige Alleskönner, der am Montag 100 Jahre alt geworden wäre, in seinem Chanson Der Musikkritiker sämtliche Gewissheiten auf den Kopf. Er ist nicht nur notorisch harthörig. Er mokiert sich über das "Großmutterl", das zitternd seine Halskette löst, um vor lauter Rührung nicht zu ersticken. Kreisler, der unversöhnlich heitere Polemiker, Komponist von Opern und "Everblacks", bekleidet hier die Rolle des lebenslangen Revanchisten. Das Metier seiner Figur ist nicht die Musik, sondern das Ressentiment, das der Kritiker, seines Willens zur Verneinung wegen, gegenüber allen Hochbegabten hegt.

Mehr als ein Skandal

Indem der Chansonnier dem Banausen seine quietschfidele Stimme leiht, wird aus der Niedertracht eines Beschränkten jedoch mehr als nur ein Skandal. Kreisler behält die Tendenz seiner Epoche im Blick: Aus dem heiteren Spiel des "interesselosen Wohlgefallens" (Kant) ist beinhartes Geschäft geworden. Längst hat sich die Kulturindustrie des unverbindlich Schönen bemächtigt. Sie presst Mozart in Marzipankugeln und sperrt Schubert ins Dreimäderlhaus.

Georg Kreisler, der sein Chanson mit musikalischen Zitaten von Bizet bis Beethoven gespickt hat, wusste, wovon er sang. Seine beißenden, daher pharmazeutisch wohltuenden Lieder waren im US-amerikanischen Exil von manchen als "unamerikanisch" gekennzeichnet worden. Er hätte jeden Grund gehabt, mit Goethe zu sagen: "Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent!"

Vergessen scheint, dass der große Komponist Robert Schumann selbst ein Kritiker war, der als "Florestan und Eusebius" sogar ebenso doppelzüngig wie schöngeistig argumentierte. "Schönes zu vernichten" muss nicht zwangsläufig Aufgabe des Kritikers sein. Wer zudem "böse" auf den Namen des Komponisten Varèse gereimt hat, muss schon ein wenig genial gewesen sein. Oder eben Georg Kreisler. Der konnte nämlich beides: komponieren und unkorrumpierbar kritisch sein. (Ronald Pohl, 17.7.2022)