Im Vorfeld des Sturms auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 wurden Bitcoin-Transaktionen an einschlägige Personen des rechtsextremen Milieus dokumentiert. Ob der "QAnon-Schamane" darunter war, ist nicht bekannt.

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Viele Kryptowährungen versprechen dezentralisierte Geldflüsse und künftige Unabhängigkeit von staatlich organisierten Geldsystemen. Ein Vorteil, den sich etwa Oppositionelle in autokratischen Ländern zunutze machen, um staatlicher Nachverfolgung zu entgehen und den auf sie ausgeübten finanziellen Druck zu lindern.

Aber auch problematische Bewegungen haben diese Vorteile von Bitcoin und Co für sich entdeckt. Gerade bei rechtsextremen Gruppierungen hat die Verwendung vor allem in den letzten Jahren massiv zugenommen, legt das Middle East Media Research Institute (MEMRI) in einem neuen Report dar.

Kryptozahlungen sind im Umfeld von Neonazis, "weißen Rassisten" (zu verstehen sind unter diesem Begriff sogenannte "white supremacists", die die Überlegenheit der "weißen Rasse" proklamieren und sich für ein "weißes" Nordamerika und Europa einsetzen) und Ultranationalisten kein neues Werkzeug. Tatsächlich gehören sie zu den Early Adoptern der Technologie. Die Annahme von Spenden in Form von Bitcoin lässt sich bis 2012 zurückverfolgen. Lange spielten sie aber nur eine untergeordnete Rolle, was auch daran lag, dass das rechtsextreme Problem politisch wenig beachtet wurde.

Wendepunkte

Zwei Ereignisse trugen jedoch dazu bei, dass sich dies binnen fünf Jahren drastisch änderte. Der erste Vorfall war die "Unite the Right"-Demonstration in Charlottesville im August 2017. Diese sorgte weltweit für Schlagzeilen und Bestürzung, nachdem der Rechtsextreme Alex Fields sein Auto mit Absicht in eine Menge an Gegendemonstranten gelenkt hatte. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, und die 32-jährige Heather Heyer kam zu Tode. Fields wurde unter anderem wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Eine Konsequenz des Vorfalls war auch, dass viele Banken, Crowdfundingplattformen und Zahlungsdienstleister damit begannen, verschiedene rechtsextreme Gruppierungen von ihren Diensten auszuschließen und bestehende Guthaben einzufrieren. In weiterer Folge begannen diese, stärker auf Kryptowährungen zu setzen, die man als "sicher, schnell und anonym" einschätzte. Einige Empfänger sollen dank der Bitcoin-Kursrally Ende 2017 stark profitiert haben, wie aus einer Untersuchung von Daten des Twitter-Accounts "Neonazi Wallets" hervorging. Dieses Twitter-Konto beobachtet Geldbewegungen in Wallets, die rechtsextremen Empfängern zugeordnet werden.

Der nächste Schub folgte nach der Erstürmung des Kapitols in Washington am 6. Jänner 2021. Danach wurden nicht nur zahlreiche Privatpersonen, die daran teilgenommen hatten und identifiziert werden konnten, von ihren Geldinstituten vor die Tür gesetzt, sondern auch weitere Organisationen. Darunter etwa "Joy in Liberty" und "Give Send Go", die Fundraising betrieben hatten, um die Anreise von Demonstranten zu Demos wie "Stop the Steal" zu organisieren, die dem Angriff auf das Parlamentsgebäude unmittelbar vorausgegangen waren.

Geld für "Ghost Guns"

Die rechtsextreme Szene folgt damit in den Spuren von Jihadisten in aller Welt. Bevor die Gefahr vom rechten Rand und in den USA damit auch sogenannter Inlandsterrorismus ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückten, gingen Banken, Kreditkartenanbieter und Zahlungsabwickler schon ähnlich gegen islamistische Gruppierungen vor, die aufgrund des syrischen Bürgerkriegs und der Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat im Fokus der Politik und Medien standen.

Auch diese verlegten ihre Online-Präsenzen immer mehr ins Darknet und begannen ihre finanziellen Aktivitäten zunehmend auf Bitcoin auszurichten. Im Vorfeld dessen wurden Kryptowährungen auch von verschiedenen einflussreichen Predigern als kompatibel mit der Sharia-Gesetzgebung eingestuft.

Eingesetzt werden die Kryptospenden von den Rechtsextremen auf vielfältige Weise. Beispielsweise nutzt man diese, um Auslagen inhaftierter Rechtsterroristen wie Dylann Roof und Robert Bowers zu bezahlen, die Täter von Charleston und Pittsburgh. Das digitale Geld wird auch herangezogen, um sogenannte Ghost Guns anzuschaffen oder zu erzeugen. Dabei handelt es sich um teilweise oder fast vollständig 3D-gedruckte Waffen und Zubehör für selbige. Diese müssen nur noch zusammengesetzt werden, sind in den USA legal erhältlich und nicht nachverfolgbar.

Kein Werkzeug für Sanktionsumgehung

Seitens der US-Regierung gibt es auch Sorgen, dass mit Kryptozahlungen im Kontext des Kriegs in der Ukraine auch Rechtsextremisten finanziert werden könnten. Zudem war auch befürchtet worden, dass Russland hier Wege finden könnte, um die Sanktionen zu umgehen. FBI-Direktor Christopher Wray gab aber schon im März zu Protokoll, dass diese Gefahr größer dargestellt werde, als sie sei, und dass man Mittel und Wege habe, um eine Aushebelung der Strafmaßnahmen auf diesem Weg zu verhindern. Ein Indikator dafür, dass diese Einschätzung zutrifft, ist, dass Russland erst vor kurzem sämtliche Kryptozahlungen verboten hat.

Beobachtet wird allerdings, dass extremistische Gruppierungen in Russland wie auch der Ukraine insbesondere über den Messenger Telegram für Spenden werben. Damit will man Kampfgruppen und Trainings finanzieren und bereits in Kämpfe involvierte Mitglieder mit Ausrüstung und medizinischen Hilfsgütern versorgen. Das FBI hatte bereits vor dem Krieg begonnen, seine Anstrengungen in der Nachverfolgung und Unterbindung von Kryptogeldflüssen an verbrecherische und extremistische Organisationen durch die Gründung einer Virtual Asset Exploitation Unit (VAXU) zu verstärken. Auch die CIA hat nach eigenen Angaben "mehrere Projekte" in Arbeit, um Kryptogeldflüsse zu beobachten.

Der wirtschaftliche Impact des russischen Angriffskriegs gegen sein Nachbarland sowie Ereignisse wie der Crash der Terra-Blockchain und die finanziellen Turbulenzen der "Kryptobank" Celsius zogen im Frühjahr auch die Kurse der Leitwährungen Bitcoin und Ethereum drastisch nach unten. Der Absturz führte zu Dissens in der rechtsextremen Szene. Einige begannen sich von Kryptowährungen zu distanzieren und bezeichneten diese etwa als "jüdisch und korrupt" und Teil des "Deep State". Einige schwenkten auf Investitionen in Metalle um.

Andere blieben Bitcoin und Konsorten treu, allerdings stoßen seit geraumer Zeit auch andere Kryptowährungen auf größeres Interesse. Darunter etwa Monero, dem manche Anhänger bessere Anonymisierung zuschreiben. Diskutiert wurde in großen Neonazi-Foren auch die Verlässlichkeit von Börsen wie Coinbase, die als Folge der Entwicklung teils massiv Personal abbauten. Seitdem rückte staatliche Regulierung, wie sie in mehreren Ländern bereits eingeführt wurde oder bevorsteht, stärker ins Interesse.

Die Financial Action Task Force (FATF), eine Organisation, die primär gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung kämpft, veröffentlichte 2021 einen Bericht, aus dem hervorging, dass rechtsextreme Organisationen zunehmend international vernetzt agieren. Das betreffe zwar derzeit vorwiegend Rekrutierung und Propaganda, es sei aber – ähnlich wie zuvor bei jihadistischen Gruppen – zu befürchten, dass auch die finanzielle und paramilitärische Zusammenarbeit zunehmen werde. Dies sei eine besondere Herausforderung für Behörden, die das Phänomen bislang vorwiegend als Inlandsterrorismus mit wenig Auslandsbezug bekämpft haben. Die FATF forderte eine strenge Regulierung für Kryptofirmen, inklusive Identitätserhebung der Nutzer und verpflichtender Meldung verdächtiger Transaktionen.

Konventionelles Geld bleibt wichtig

Fiatgeld ist aber bei rechtsextremen Gruppen nach wie vor eine wichtige Einnahmequelle, zumal es viele Privatpersonen und kleinere Bewegungen gibt, die unter dem Radar der Finanzinstitute geblieben sind. Als Dienstleister beliebt sind etwa Paypal und dessen digitale Geldbörse Venmo, Buy Me A Coffee, Zelle oder der russische Dienst Qiwi. Genutzt werden außerdem Amazon-Gutscheine für Spenden und Zahlungen. Zwar finden sich in den AGBs dieser Anbieter oft keine Erwähnungen von Terrorismus, alle verbieten aber die Nutzung ihrer Services für illegale Zwecke.

Ob Krypto-Transaktionen eine wesentliche Rolle bei Ereignissen wie dem Sturm auf das Kapitol gespielt haben, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Das auf Blockchain-Analyse spezialisierte Unternehmen Chainalysis konnte aber einschlägige Geldflüsse nachweisen. Ein Spender überwies am 8. Dezember 2020 Bitcoin im damaligen Gegenwert von 522.000 Dollar an 22 verschiedene Wallets. Unter den Empfängern befanden sich mehrere rechtsextreme Aktivisten und Internetpersönlichkeiten. (gpi, 18.7.2022)