Auch im Vereinigten Königreich, hier nahe Zennor bei Cornwall, kommt es bereits zu Buschfeuern.

Foto: REUTERS/Tom Nicholson

Brüssel – In Großbritannien haben die Temperaturen erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen die Marke von 40 Grad überstiegen. Am Londoner Flughafen Heathrow wurden in der Mittagszeit 40,2 Grad Celsius gemessen, wie der Wetterdienst Met Office nach vorläufigen Daten am Dienstag bekannt gab. Erst kurz davor war mit 39,1 Grad in Charlwood in der englischen Grafschaft Surrey ein britischer Hitzerekord aufgestellt worden – dieser währte jedoch kaum länger als eine Stunde.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch der Heathrow-Rekord am Dienstag noch gebrochen werden könnte. In Teilen Englands wurden bis zu 42 Grad erwartet. Auch die Nacht auf Dienstag hatte sich bereits als die bisher wärmste herausgestellt. In weiten Teilen des Landes kam es zu Beginn der Woche zu Störungen des öffentlichen Lebens: Schulen blieben geschlossen, teilweise machten auch Geschäfte und Restaurants zu. Der Bahnverkehr kam nur mit großen Verspätungen voran oder fiel ganz aus, weil die Infrastruktur nicht auf so hohe Temperaturen ausgelegt ist.

Nach Angaben von Meteorologen verschiebt sich die Hitzeglocke über Europa weiter nach Norden. Damit könnte sich die Lage in Südeuropa etwas entspannen. Die glühende Hitze hatte verheerende Waldbrände vor allem in Frankreich, Portugal und Spanien ausgelöst. Hunderte Menschen starben an den Folgen der Hitze, und tausende mussten angesichts der Feuersbrünste ihre Häuser verlassen.

"Das ist nicht 'die neue Normalität'", schrieb die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg mit Blick auf die Rekordtemperaturen auf Twitter. "Die Klimakrise wird weiter eskalieren und schlimmer werden, solange wir unseren Kopf in den Sand stecken und Profit und Gier über Menschen und den Planeten stellen. Wir schlafwandeln noch immer dem Abgrund entgegen."

Höchstwerte in Frankreich und Deutschland

In einigen französischen Städten wurden bereits am Montag neue Temperaturhöchstwerte gemessen, etwa in Nantes, Brest oder Saint-Brieuc. In Paris wurde der "plan canicule" aktiviert: Parks bleiben bis Mitternacht offen, Ämter mit kühlen Räumen werden der Bevölkerung zugänglich gemacht. Ältere Menschen erhalten täglich Besuch oder einen Anruf. Die Hitzewelle 2003 hatte die Regierung unvorbereitet erwischt, 15.000 vorwiegend ältere Menschen fielen ihr zum Opfer.

Auch der Deutsche Wetterdienst warnte am Dienstag vor starken Wärmebelastungen. Punktuell wird im Westen am Nachmittag mit Temperaturen um die 40 Grad gerechnet. Die Behörde schätzte die Waldbrandgefahr aufgrund hoher Trockenheit als sehr hoch ein.

Autobahn in Norditalien gesperrt, Züge fielen aus

Feuerwehreinheiten aus Udine, Triest und Görz (Gorizia) sind am Dienstag bei einem Großbrand im Karstgebiet im Einsatz gewesen. Die Flammen griffen auch auf das Gebiet neben der Autobahnmautstelle Lisert über, die geräumt werden musste. Das Personal wurde von der Feuerwehr evakuiert, da die Flammen sich der Mautstelle stark genähert hatten.

Der Autobahnbetreiber "Autovie Venete" ordnete die Sperre des Abschnitts der Autobahn A4 zwischen Redipuglia und Lisert in Richtung Triest an. Gesperrt wurde auch eine 30 Kilometer lange Strecke zwischen Sistiana und Redipuglia in Richtung Venedig. Der Eisenbahnverkehr zwischen Monfalcone und Bivio d'Aurisina war ebenfalls eingestellt. Der Bahnhof Triest war nicht zugänglich. Mehrere Züge mussten gecancelt werden und wurden mit Bussen ersetzt, teilte die Bahngesellschaft Trenitalia mit.

Ein Flugzeug des Typs Canadair wurde angefordert, um das Feuer zu bekämpfen. Die Behörden sprachen von einer besorgniserregenden Lage. Die Ursache der schweren Brände, die bereits am Montag im friaulischen Karstgebiet in den Provinzen von Görz (Gorizia) und Triest tobten, sind noch unbekannt, Ermittlungen sind im Gange. 350 Hektar Wald wurden zwischen Italien und Slowenien zerstört. Am Freitag war in einem bewaldeten Randgebiet in der Badeortschaft Bibione bei Venedig ein großes Feuer ausgebrochen, das inzwischen gelöscht ist.

Ein Brand ist inzwischen am Dienstag auch in Rom im südlichen Stadtviertel EUR ausgebrochen. Dies führte zu erheblichen Verkehrsproblemen. Die Feuerwehr sei im Einsatz. Rom ist schon seit Wochen von schweren Bränden betroffen. Am Montag war in der italienischen Hauptstadt ein Brandstifter in flagranti festgenommen worden.

Hälfte des Gebiets der EU von Dürre bedroht

Rund die Hälfte des Gebiets der Europäischen Union ist nach Expertenangaben derzeit von Dürre bedroht. Die EU-Kommission veröffentlichte am Montag einen Bericht ihres Forschungszentrum zur Trockenheit im Juli, dem zufolge auf 46 Prozent des EU-Gebiets Risiko für Dürre besteht. Für weitere elf Prozent des Gebiets gelte mangels Regen sogar bereits der Alarmzustand mit Folgen für Vegetation und Ernte.

Sechstel der Wetterstationen in Österreich zeigt über 30 Grad

Die Sommerhitze nimmt auch in Österreich wieder zu, der vorläufige Höhepunkt wird in den kommenden Tagen erwartet. Aber bereits am Dienstag gegen 13 Uhr wurden an rund 30 von 180 Wetterstationen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Werte jenseits der 30-Grad-Grenze gemessen. Die heutigen Höchstwerte werden am späten Nachmittag erwartet. Sie dürften im Großteil Österreichs im Bereich von 33, 34 oder 35 Grad liegen, die höchsten Werte seien speziell in Vorarlberg möglich.

Bei den Mittagswerten lagen Bludenz in Vorarlberg und Pottschach in Niederösterreich mit 31,9 Grad an der Spitze, gefolgt vom burgenländischen Mattersburg mit 31,7 Grad. Den vorläufig höchsten Wert in Wien ermittelten die Experten der ZAMG in Stammersdorf mit 31,2 Grad.

Das in Pyla-sur-Mer aufgenommene Foto zeigt ein Löschflugzeug in der Nähe des Rauches, der vom Waldbrand in La Teste-de-Buch in der Region Gironde aufsteigt.
Foto: APA/AFP/THIBAUD MORITZ

Verdacht der Brandstiftung in Gironde

Im Süden Europas loderten schon in den vergangenen Tagen zahlreiche Waldbrände. Bei den Ermittlungen zu einem Waldbrand im westfranzösischen Département Gironde, der bereits 12.000 Hektar Wald zerstört hat, ist ein Verdächtiger festgenommen worden. Die Ermittlungen zu dem Feuer in der Gemeinde Landiras südlich von Bordeaux hätten den Verdacht der Brandstiftung erhärtet, teilte die Staatsanwaltschaft von Bordeaux am Montag mit. In der Gironde wüten derzeit zwei große Waldbrände. Zusammen haben die Feuer rund 17.000 Hektar Wald zerstört, rund 32.000 Menschen – Bewohnerinnen und Touristen – mussten in Sicherheit gebracht werden.

Belgische Atomkraftwerke reduzieren Kapazität wegen Hitze

In Belgien wurde wegen der Hitze die Kapazität der Atommeiler Doel 1 und Doel 2 bei Antwerpen um die Hälfte reduziert. Es bestehe die Gefahr, dass das Kühlwasser zu warm werde, teilte der Betreiber Engie mit, wie die Nachrichtenagentur Belga berichtete. In Belgien wurde am Dienstag der wärmste 19. Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1892 registriert. An der Wetterstation des Königlich Meteorologischen Instituts (KMI) in der Brüsseler Gemeinde Uccle – dem Referenzort für die Messungen – wurden am frühen Nachmittag 36,4 Grad gemessen. Dies war die vierthöchste Temperatur, die überhaupt jemals in Belgien gemessen worden ist.

Laut Behörden 1000 Tote in Portugal

In Portugal hat die Hitze bislang mehr als 1000 Tote gefordert. Bis zum 18. Juli seien 1063 Menschen an den Folgen der derzeitgen Hitzewelle gestorben, sagte die Chefin der portugiesischen Gesundheitsbehörde, Graca Freitas, am Dienstag. Portugal zähle zu den Gebieten in der Welt, die stärker als andere von extremer Hitze betroffen sein dürften. Das Land müsse sich in Zukunft auf Phasen mit höheren Temperaturen besser vorbereiten.

Die Temperatur im Land war in der verganenen Woche auf über 40 Grad Celsius gestiegen. Weite Teile Europas lagen am Dienstag unter einer drückenden Hitzeglocke mit stellenweise noch nie erreichten Höchstwerten. Die glühende Hitze hat auch verheerende Waldbrände in Portugal ausgelöst.

DER STANDARD

Großer Brand nördlich Athens

Starke Winde haben am Dienstagabend einen kleines Feuer im Nordosten Athens zu einem Großbrand angefacht. Dicke bräunliche Rauchschwaden waren aus fast allen Regionen Athens zu sehen. Die Lage sei "ernst", sagte der Regionalgouverneur, Giorgos Patoulis, im Staatsrundfunk.

Die Einwohner der betroffenen Regionen erhielten per SMS eine Nachricht, bereit zu sein, ihre Häuser zu verlassen, wenn dies die Feuerwehr anordnet. Ein Dorf sei bereits evakuiert worden, weil die Flammen sich bedrohlich näherten, berichtete das Staatsfernsehen.

Schwere Brände auch auf Kreta

Schwere Brände südlich der Hafenstadt Rethymno auf Kreta zerstörten große Flächen landwirtschaftlich genutzter Gebiete, sagte am Dienstag der Bürgermeister der Region, Giannis Tatarakis, dem griechischen Nachrichtensender Real FM. Bisher seien mehr als 1.850 Hektar verbrannt. "Es handelt sich hauptsächlich um Olivenbäume. Viele Menschen haben gar kein Einkommen mehr", sagte der Bürgermeister.

EU will eigene Löschflugzeuge anschaffen

Die Europäische Union will angesichts der Häufung von Waldbränden nun Löschflugzeuge kaufen. Es würden Gespräche mit mehreren Herstellern geführt, sagte der EU-Kommissar für Krisenschutz, Janez Lenarčič, am Dienstag. "Die Flugzeuge werden von den Mitgliedsstaaten beschafft, aber zu 100 Prozent von der Europäischen Union finanziert." Welche Hersteller beauftragt werden, sagte Lenarčič nicht, da die Verträge noch nicht unterschrieben sind. (APA, red, 19.7.2022)