Karl Nehammer bleibt zu Hause bzw. im Kanzleramt. Er will sich ganz der Krise widmen. Ein Fehler. Auch der Kanzler darf ein paar Tage Urlaub machen.

Foto: Imago

Kanzler Karl Nehammer wird nicht die Festspiele in Bregenz und Salzburg besuchen, und er wird auch nicht mit seiner Familie den Urlaub in Griechenland verbringen. Den hat er jetzt abgesagt. Damit reagiert er auf die Kritik der Opposition, wonach er zu viel im Ausland sei. Das ist ein wenig dünnhäutig. Der Kanzler ist ang’rührt, wie man in Wien sagt. Die offizielle Begründung, er wolle sich voll und ganz den Herausforderungen der Krise stellen, klingt nach plattem Populismus.

Der Kanzler hat die Krise nicht gut kommentiert, das hat nichts mit Dienstreisen oder Urlaub zu tun, sondern mit Feingefühl, politischer Kommunikation und strategischer Planung. Die Bevölkerung fühlt sich über die Bedrohungen, die uns aus dem Krieg in der Ukraine und der damit zusammenhängenden Energiekrise erwachsen, nicht gut genug informiert. Der Kanzler hat hier klar politische Leadership vermissen lassen. Und ja, dass sich die Regierung bemüht, klarer zu kommunizieren, das merkt man schon.

Last der Verantwortung

Mit der Absage des Urlaubs ist aber nichts erreicht. Im Gegenteil: Er soll auf Urlaub fahren. Politiker, auch Spitzenpolitiker und selbst der Bundeskanzler, haben ein Anrecht auf Urlaub. Es ist ohnedies ein extrem herausfordernder, harter Job, der oft genug alles andere als lustig ist, und die damit verbundene Verantwortung ist zweifellos eine schwere Last. Da braucht es auch einmal einen Urlaub, Zeit mit der Familie, ein paar Stunden abschalten. Es müssen ja nicht zwei Wochen in der Karibik fernab aller Kommunikationsmittel sein.

Ein paar Tage Griechenland sind jedenfalls in Ordnung, und als Kanzler muss man sowieso immer erreichbar und auf dem Laufenden sein. Nehammer tut sich, seiner Familie und letztlich auch dem Land nichts Gutes, wenn er sich jetzt am Ballhausplatz einbunkert. Es ist auch kein gutes Vorbild. Wir alle brauchen Urlaub. Und wir nehmen ohnedies das Handy mit. Und den Laptop. Aber ein paar Stunden Strand, Zeit mit der Familie und aufs Wasser rausschauen, das muss sein. Dann geht’s uns wieder besser. (Michael Völker, 20.7.2022)