Die Schweiz wird nun also doch Kriegsverwundete aus der Ukraine aufnehmen, sowie ganz generell Menschen, die dort nicht ausreichend medizinisch versorgt werden können. Bevorzugt Kinder sollen in Absprache mit der Regierung in Kiew in Kantonsspitäler geflogen werden. Das hat das Außenministerium in Bern nach einer diplomatischen Kehrtwende spät, aber doch dem ukrainischen Botschafter verbindlich zugesagt. 150 medizinische Notfälle will man behandeln.

Die Schweiz wird nun also doch Kriegsverwundete aus der Ukraine aufnehmen.
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Dem ging leider ein humanitärer Skandal voraus. Bis der Tagesanzeiger den Fall aufdeckte, hatte Außenminister Ignazio Cassis Ansuchen auf Verwundetenversorgung abgelehnt. Begründung: Die Neutralität stehe dem entgegen, man könne in der Ukraine nicht zwischen Soldaten und Zivilisten unterscheiden.

Das war ein schwerer Fehler. Das Grundrecht jedes Menschen auf Leben ist das höchste Gut, ebenso die Pflicht, jede und jeden ohne Ansehen der Person gesundzupflegen. Diese Einsicht verdanken wir einem Schweizer, Henri Dunant, Gründer des Roten Kreuzes. Diese Maxime macht humane Wesen aus. Man sollte das im Jahr 2022 nicht mit völkerrechtlichen Spitzfindigkeiten untergraben.

Der Imageschaden bleibt. Aber die Schweiz sendet mit der Korrektur ein starkes Signal für ganz Europa und bestärkt andere neutrale Länder wie Österreich, die ohne Einwände zur Übernahme ukrainischer Patienten bereit waren. Bei Nothilfe gibt es keine Neutralität.(Thomas Mayer, 21.7.2022)