Anfang Jänner 2022 gingen Maßnahmengegner in Wien auf die Straße, um wieder gegen die Coronapolitik der Regierung zu demonstrieren.

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Was sind das für Menschen, die einer anderen Person den Tod wünschen, weil sie eine andere Meinung vertritt? Und diesen Tod gutheißen, wenn er tatsächlich eintritt. Was sind das für welche, die Hetze gegen Ärztinnen und Ärzte, gegen Politikerinnen und Politiker, gegen Journalistinnen und Journalisten befeuern? Was ist das für ein Hass, und warum verfängt er so?

Mit Ausbrechen der Corona-Pandemie haben sich die Fronten in der Gesellschaft verhärtet. Es hat eine Radikalisierung gegeben, der wir weitgehend rat- und hilflos gegenübergestanden sind. Die Politik hat diese Ratlosigkeit gespiegelt. Was fatal war: Die Hilflosigkeit führte auch dazu, dass die Behörden viel zu lasch reagiert haben. Das Gefahrenpotenzial wurde unterschätzt.

Sehr viele Rechte

Unter dem Deckmantel der Impfgegner und Corona-Leugner fanden viele zusammen, die prinzipiell und gerne gegen die Obrigkeit aufbegehren, da kamen jene hinzu, die sich an den Rand der Gesellschaft gedrückt und zu wenig gehört fühlen, die Wohlstandsverlierer, Menschen, die tatsächlich Existenzängste haben. Und sehr viele Rechte, die mit der Destabilisierung der Gesellschaft ihr Geschäft betreiben. Das ist die FPÖ, die gezielt die Leute aufbringt, um politisch daraus Kapital zu schlagen. Und das sind Rechtsextreme, deren Ziel das Chaos ist, weil sie in diesem die Zersetzung der Gesellschaft vorantreiben können.

Der Hass, der sich in dieser Kumulierung destruktiver Kräfte aufbaut, ist bedrückend. Und wer immer jetzt bei Auftritten von Alexander Van der Bellen in die Trillerpfeife bläst und Galgen in die Höhe hält, kann für sich nicht in Anspruch nehmen, ein interessierter und besorgter Bürger zu sein. Das sind Rechtsextreme, die das organisieren. Wer da mitmacht, ordnet sich ein. Solange keine Gesetze verletzt werden, ist das ein Recht jedes Bürgers, jeder Bürgerin, aber es sollte uns klar sein, mit wem wir es hier zu tun haben.

Beschimpfungen und Herabwürdigungen

Bei dieser Aggression ist es schwierig, auf das Gegenüber einzugehen. Gegen einen Schwulst an Beschimpfungen und Herabwürdigungen ist es kaum möglich, Argumente anzubringen. Seltsam ist, dass diese Leute, die Respekt für sich und ihre Anliegen einfordern, nicht willens sind, anderen Menschen und Meinungen Respekt entgegenzubringen.

Es sind die sozialen Medien (was für ein Zynismus), die diese Radikalisierung beschleunigen. Das muss auch jenen bewusst sein, die sich auf der guten Seite wähnen und ihrer Betroffenheit über den Tod der Ärztin Ausdruck verleihen. Auch hier sollten die Emotionen nicht überschäumen. Wir selbst tragen Verantwortung dafür, wie man miteinander umgeht. Bei allem Verständnis für die Trauer und Empörung: Van der Bellen hat eine ungeschickt formulierte Nachricht zum Tod der Ärztin abgesetzt, aber er trägt keine Schuld am Tod der Ärztin. Genauso wenig wie Gesundheitsminister Johannes Rauch schuld daran ist. Da geraten die Falschen zu Feindbildern. Diese schnellen Verurteilungen, diese Aggression treibt die Radikalisierung voran. Auch die "Guten" müssen sich hinterfragen, ob sie nicht gelegentlich über das Ziel schießen.

Zügeln wir die Wut

Der Hass und diese überbordende Emotionalität sind nicht gut. Zügeln wir die Wut, gehen wir aufeinander zu – wo es geht. Hören wir einander zu, versuchen wir, einander zu verstehen. Manchmal geht das nicht. Es gibt Grenzen. Da darf es keine Toleranz geben. Auch da sollten wir ganz klar sein. (Michael Völker, 1.8.2022)