Es sind sechs Männer, die sich im Zusammenhang mit dem jihadistischen Terroranschlag vom 2. November 2020 in Wien vor Gericht verantworten müssen. Das geht aus der Anklageschrift hervor, über die DER STANDARD bereits berichtete. In den Fokus der Ermittlungen gerieten die Angeklagten aus unterschiedlichen Gründen: etwa weil sie dem späteren Attentäter K.F. bei der Anschlagsplanung geholfen oder ihn in seinem Entschluss dazu bestärkt haben sollen. Oder weil sie eine eminente Rolle dabei gespielt haben dürften, wie der junge Jihadist an die Waffen samt Munition gekommen war, mit denen er vier Menschen erschoss und etliche weitere verletzte.

Wie sich der Waffenkauf abspielte, war den Ermittlern relativ schnell klar, weil sich der Tschetschene A.M. nach anfänglichem Zögern in Einvernahmen selbst belastet hatte. Er gab zu, bei der Übergabe der Waffen und der Munition an den Jihadisten K.F. dabei gewesen zu sein und eine davon allein durchgeführt zu haben. Das Sturmgewehr soll der Terrorist im Juni 2020 erhalten haben, die Pistole und Munition im September. Die Übergaben dürften jeweils unbehelligt in Wien stattgefunden haben. Dazwischen, konkret Mitte Juli, scheiterte noch ein versuchter Munitionskauf von K.F. und einem der Angeklagten in der Slowakei. Den beiden fehlte ein Waffenschein.

Der nun angeklagte A.M. will bei den Waffendeals aber stets nur eine Vermittlerrolle eingenommen haben, wie er aussagte. Als wahren Waffenverkäufer belastete er den Slowenen M.O. Der soll dem Tschetschenen für seine Dienste 500 Euro Provision bezahlt und ihn zu einem gemeinsamen Kasinoabend eingeladen haben. Den Draht zu dem angeblichen Waffenduo legte damals ein Kindheitsfreund des Attentäters, der im Gefängnis einen Mithäftling kennenlernte, der wiederum A.M. kannte.

Allerdings wird der mutmaßliche Waffenlieferant laut Anklageschrift beim Terrorprozess nun "nur" als Zeuge geladen. Im Abschlussbericht des Verfassungsschutzes zählte er noch zu den Hauptbeschuldigten.

Bei dem Terroranschlag am 2. November 2020 erschoss der jihadistische Terrorist K.F. vier Menschen, etliche weitere wurden verletzt.
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Laut der zuständigen Staatsanwaltschaft Wien wird M.O. allerdings in einem gesonderten, noch anhängigen Verfahren weiterhin als Beschuldigter geführt. Dabei geht es um strafbare Handlungen nach dem Waffen- und Kriegsmaterialgesetz. Im Hauptverfahren zum Terroranschlag sei M.O. jedoch kein Beschuldigter, da man ihm nicht habe nachweisen können, dass er gewusst habe, wofür die Waffen eingesetzt werden sollen. Daher soll der mutmaßliche Waffenlieferant lediglich als Zeuge vor Gericht erscheinen.

M.O. bestritt bei seiner Einvernahme in Maribor jegliche Vorwürfe gegen ihn. Auch die Auswertung seines Mobiltelefons förderte keine relevanten Ermittlungsergebnisse zutage. Die heimischen Behörden betrachten M.O. allerdings äußerst skeptisch. Der Slowene soll insgesamt acht verschiedene Telefonnummern verwenden. Deshalb gehen Verfassungsschützer davon aus, dass er "bloß ein unverfängliches Mobiltelefon zum Zwecke der Auswertung an die slowenischen Behörden ausgehändigt" habe. Laut der slowenischen Polizei dürfte gegen M.O. auch ein gerichtsanhängiges Ermittlungsverfahren in Slowenien wegen Drogenbesitzes laufen.

Dass M.O. an der Waffenlieferung beteiligt gewesen sein dürfte, wollen Ermittler aber nachgewiesen haben. Es konnte nicht nur das DNA-Profil von O.s unmündiger Tochter auf dem Holzteil des Sturmgewehrs sichergestellt werden, sondern auch O.s Spuren auf einer leeren Patronenpackung in der Wohnung des Terroristen.

Bisher unbekannt war bisher allerdings, wie tief der Waffenvermittler A.M. vor dem Anschlag bereits in der Szene von IS-Sympathisanten verankert gewesen sein könnte. Darauf stießen die heimischen Ermittler durch ein geführtes Verfahren der Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Demnach sei der Tschetschene verdächtig, "über verschiedene Kanäle Kontakte zu einer bereits im Jahr 2018 in Deutschland etablierten IS-Zelle zu unterhalten, die im Auftrag des IS verschiedene Anschläge plane", heißt es in der Anklageschrift.

Einer dieser Anschlagspläne sei demnach gewesen, einen albanischen Geschäftsmann zu töten. Die Hälfte eines auf 40.000 US-Dollar dotierten Kopfgeldes hätte angeblich an den IS fließen sollen. Der Auftrag sei von einem aus Dagestan stammenden Emir des IS gekommen. Zwei Männer sollen diesen angenommen und bei A.M. um Unterstützung angefragt haben. Das besagte Ermittlungsverfahren sei bei der Staatsanwaltschaft Wien getrennt geführt und Ende Jänner dieses Jahres "unter Vorbehalt späterer Verfolgung" eingestellt worden. (Jan Michael Marchart, 4.8.2022)