Die gute Nachricht zuerst: Die Getreideernte fällt heuer gut aus – allen wetterbedingten Unwägbarkeiten zum Trotz. Es gab kaum Landregen, dafür kleinräumig besonders viel Niederschlag. Der vergangene Herbst war sehr trocken, was zwar den Anbau begünstigte, dafür hat die Winterfeuchte gefehlt. Glücklicherweise waren die Hitzetage im Juni nicht so dramatisch wie im Jahr davor. Alles in allem sei man "positiv ins Ziel gegangen", sagt Ernst Karpfinger. Karpfinger ist selbst Landwirt und bei der Agrarmarkt Austria (AMA) Fachmann für Getreide. Ein wichtiger Rohstoff für die Lebensmittelproduktion. Und einer, der – je nach Sorte – kräftig teurer geworden ist.

Teure Dünger, teure Energie

Qualitätsweizen wurde an der Wiener Produktenbörse um 61 Prozent höher bewertet, Mahlweizen verteuerte sich um 59 Prozent. Hartweizen kostet aktuell um 14 Prozent mehr als vor einem Jahr. Ein saftiger Anstieg über die ganze Palette, die Karpfinger neben dem Einfluss der Weltmarktpreise unter anderem auch mit der Verdreifachung der Düngemittelpreise und naturgemäß mit den drastisch gestiegenen Energiekosten erklärt.

Gestiegen seien die Preise schon während der Pandemie, sagt Karpfinger bei der Präsentation der Erntebilanz der AMA. Damals noch weitgehend unter der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit. Lieferkettenprobleme, Anstieg der Verpackungspreise – bereits vor zwei Jahren haben die Preise um 50 Prozent zugelegt, mit dem Krieg in der Ukraine setzte sich der Trend fort. Das habe zur Folge gehabt, dass die heimischen Landwirte dank höherer Erträge die Anbauflächen ausgeweitet hätten, sagt AMA-Vorstandschef Günter Griesmayr.

Es gibt keinen Grund zu klagen, was die heimische Getreideernte betrifft. Produktion und Erträge sind gestiegen.
Foto: Imago/Jan Eifert

Versorgungsengpässe sind also nicht zu befürchten. Zumal ukrainisches Getreide für Österreich – anders als international – eine vernachlässigbare Rolle spielt. Die heimische Erntemenge für 2022 dürfte sich auf rund 2,9 Millionen Tonnen belaufen. Damit liegt der Ertrag im Schnitt der vergangenen fünf Jahre und übertrifft die Vorjahresmenge von 2,8 Millionen Tonnen. Ob Dinkel, Weizen oder Roggen, alle Getreidesorten, die etwa zu Brot, Gebäck oder Nudeln verarbeitet werden, wurden vermehrt angebaut, sagt Griesmayr.

Gute Qualität

Dazu komme die wetterbedingt gute Qualität, lobt Karpfinger. Und er legt Wert auf die Anmerkung, dass "die Landwirte sicher nicht schuld sind an den Preissteigerungen bei Lebensmitteln". Man habe Getreidepreise wie vor 40 Jahren. Zudem falle der Anteil des Getreides etwa am Brotpreis kaum ins Gewicht.

Anstieg beim Brotpreis

Dieser ist tatsächlich deutlich gestiegen, wie Zahlen der Statistik Austria zeigen. Während im Juni die Inflationsrate bei 8,7 Prozent gelegen ist, fiel der Preisanstieg bei Lebensmitteln im Vergleich zum Vorjahr mit elf Prozent noch höher aus. Die Preise für Mischbrot etwa legten noch stärker zu. Im Juni war es um 12,3 Prozent teurer als im Vergleich zum Vorjahresmonat. Der Preisauftrieb hat sich da schon etwas entspannt. Im Mai ist er noch bei 12,7 Prozent gelegen.

Auch die Brotpreise sind deutlich gestiegen.
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Im Vergleich zum Juni 2015 verzeichnet die Statistik einen steilen Preisanstieg von knapp 30 Prozent. Rechnete so mancher Konsument einen Kilopreis von zehn Euro vor nicht allzu langer Zeit dem Luxussegment zu, ist eine gehobenere Sorte mittlerweile auch beim Diskonter um knapp sieben Euro je Kilo wohlfeil. Die 15-Cent-Semmel hat nicht einmal mehr der Diskonter im Angebot. Selbst dort kostet das Semmerl mittlerweile 19 Cent. Für manche ganz hartes Brot, zählt es als Grundnahrungsmittel doch zu den sensiblen Waren in Sachen Lebenshaltungskosten. Für Geringverdiener fällt derzeit wohl jeder Euro mehr ins Gewicht.

Produzenten schlucken schwer

Auch die Produzenten schlucken schwer, konnten sie trotz der gestiegenen Preise ihre höheren Kosten nicht weitergeben, sagt Bäcker Gerhard Ströck. Zweimal hat er seit Jänner die Preise erhöht – allerdings nicht über das gesamte Sortiment. Ströck hofft auf Entspannung an der Preisfront. Bis dahin "schlucken wir einiges selbst".

Der burgenländische Nudelproduzent Joachim Wolf (siehe dazu das Interview) spricht von einer dramatischen Lage: "Das vergangene Jahr war eine Katastrophe". Nicht nur die Rohstoffkosten (Wolf verwendet nur heimische Rohstoffe, Anm.) seien explodiert, neben den Transportkosten seien auch die Verpackungskosten um 60 Prozent gestiegen. Als Lieferant für den Handel habe er nur eine Preiserhöhung von 15 Prozent erreichen können. Obwohl Wolf zumindest in Sachen Energie durch eine eigene Biogasanlage einen Teil der Kosten im Griff hat, sieht er sich im Würgegriff: "Wir müssen schauen, dass wir mit dem Strohhalm Luft bekommen. Wir kämpfen ums Überleben." (Regina Bruckner, 6.8.2022)