Auf der Mariahilfer Straße Unterschriften zu sammeln ist kein leichtes Unterfangen. Denn wer auf der viel frequentierten Wiener Einkaufsstraße unterwegs ist, weiß in der Regel die hier in hoher Dichte auftretenden, demonstrativ gut gelaunten Signaturen- oder Spendenkeiler abzuwimmeln. Und doch haben sich ein paar Männer und Frauen in weißen T-Shirts mit "Mei' Präsident"-Aufdruck und Klemmbrettern in den Händen diesen Ort am Dienstagvormittag ganz bewusst ausgesucht.

Wahlkampf auf der Mariahilfer Straße.
Foto: Chrisian Fischer

Die Männer und Frauen sind das Kampagnen-Team von Hofburg-Kandidat Dominik Wlazny. Dieser ist zwar eigentlich besser als Sänger der Punkband Turbobier unter seinem Künstlernamen Marco Pogo bekannt. Ausführen müssen das seine Unterstützerinnen gegenüber den Passantinnen, die sie anquatschen, aber nicht. Die riesigen blau-gelben Flaggen mit dem Bierpartei-Logo am nahen Wahlkampfstand sagen offenbar genug.

Das Rennen um die sogenannten Unterstützungserklärungen, die jeder Anwärter auf die Bundespräsidentschaft für die Kandidatur braucht, ist seit Dienstag voll im Gange. Um überhaupt auf dem Stimmzettel zu stehen, müssen alle Kandidaten bis 2. September mindestens 6.000 Unterschriften vorlegen. Jede Person, die am Stichtag, dem 9. August, wahlberechtigt ist, kann für jeweils einen Bewerber unterschreiben.

Unterschrieben hat Dominik Wlazny auch gleich.
Foto: Chrisian Fischer

Dies gilt freilich auch für die Kandidaten selbst. Und so gibt sich Wlazny mit der für ihn typischen schwarzen Sonnenbrille und in Jeans und T-Shirt zur Abwechslung einmal selbst ein Autogramm. Vor versammelter Presse, versteht sich: Besonders Hofburg-Anwärter mit kleinem Budget wie Wlazny müssen derartige mediale Aufmerksamkeitsfenster ausnutzen.

Angriffig gegenüber Van der Bellen

Wlazny hat zu diesem Anlass zwei Botschaften mitgebracht. Erstens: Seine Kandidatur sei Demokratie in Reinform und kein Satire- oder gar Vermarktungsprojekt für seine Band, wie ihm kritische Stimmen vorwerfen. "Es gibt nichts Demokratischeres, als sein passives Wahlrecht zu nutzen. Ohne mich gebe es nur den Amtsinhaber und drei rechte Kandidaten", sagt Wlazny. Seine Bierpartei, die bei der Wien-Wahl 2020 zwar den Einzug in den Gemeinderat verpasst hat, aber immerhin elf Bezirksräte stellt, habe hunderte Anträge und Anfragen verabschiedet. Soll heißen: Es werde hart gearbeitet. "Medial groß an die Glocke gehängt oder mit meiner Person verknüpft wurde das aber nicht."

Zweitens verspricht Wlazny, als Bundespräsident als moralische Richtschnur zu agieren und Missstände aufzuzeigen. Unter Amtsinhaber Alexander Van der Bellen seien deutliche Worte nicht gefallen – etwa als Österreich zuletzt im Demokratieranking abrutschte oder im aktuell aufbrechenden "Korruptionssumpf". In derartigen Situationen wolle er schärfer sein, sagt Wlazny angriffig. Wie das klingen würde? "Was ihr macht, ist– tut mir leid – scheiße. So geht das nicht, Freunde."

Stilles Wasser statt Freibier

Auf der Mariahilfer Straße kommen solche markigen Sager gut an. Wlazny posiert zwischen unzähligen Interviews für Selfies. Auch für seine Keiler läuft es gut. "Wir haben es deutlich leichter als Seashepherd oder der WWF", sagt einer. Zur Belohnung gibt es übrigens eine kleine Flasche stilles Wasser – und nicht das naheliegende Bier. "Ich überrasche eben gerne. Damit hat niemand gerechnet", sagt Wlazny.

Ein Promi braucht auf der Mariahilfer Straße Zeit.
Foto: Christian Fischer

Sein Team erläutert Unterschriftenwilligen unterdessen freundlich und ruhig das Prozedere. Ganz einfach ist dieses nämlich nicht: "Hier bitte Vornamen, Nachnamen und Geburtsdatum eintragen", sagt der Kampagnen-Mitarbeiter und händigt einem Passanten das Unterstützungserklärungsformular aus. "Wichtig: Unterschreiben darfst du es jetzt noch nicht."

Das liegt daran, dass die Unterschrift an sich am Gemeindeamt bzw. am Magistrat vor Zeugen geleistet und dort quasi beglaubigt werden muss. Hier kommt die ausgesuchte Location ins Spiel: Das Mariahilfer Amtshaus in der Amerlingstraße ist nur wenige Schritte vom Bierpartei-Stand entfernt. Die unterschriebenen Unterstützungserklärungen müssen dann entweder per Post oder auf anderem Weg an den sogenannten Zustellungsbevollmächtigten des jeweiligen Kandidaten überbracht werden.

Grüner Promi-Empfang

Die praktische Lage ist auch einem anderen Kandidaten nicht entgangen. Einem, der seine Person noch weniger erklären muss als Wlazny. Als der in Anzug herausgeputzte Amtsinhaber Alexander Van der Bellen am frühen Nachmittag mit seiner Gattin Doris Schmidauer auf der Mariahilfer Straße aufkreuzt, bildet sich sogleich eine Menschentraube um ihn. Die Passantinnen und Passanten wollen Fotos mit dem First Couple, die Presseleute Fotos von den Fotoszenen.

Schräg gegenüber vom Bierpartei-Stand hat Van der Bellens Team inzwischen einen in Gelb und Weiß getauchten Stand aufgebaut. Statt Punk erklingt hier der Swing: Eine kleine Band spielt für den Bundespräsidenten. Die Boxen für die Unterstützungserklärungen sind bereits gut gefüllt. Erwartet wird Van der Bellen von der grünen Klimaministerin Leonore Gewessler und grünen Parteifreundinnen und Parteifreunden aus der Wiener Landes- und Bezirkspolitik.

Auf der Mariahilfer Straße befindet sich auch Van der Bellens Wahlkampfstand.
Foto: Christian Fischer

Geduldig arbeitet er sich im Schneckentempo mit seinem Tross in Richtung Amerlingstraße vor. Sein Ziel: das Amtshaus, in dem er mit seiner Gattin verschwindet. Während alles auf die Rückkehr hinarbeitet, herrscht ein reges Kommen und Gehen von Menschen mit weißen Zetteln – den Unterstützungserklärungen – in der Hand. "Einmal Bier", scherzt einer.

Auf dem Weg ins Amt.
Foto: Christian Fischer

Nach getaner Arbeit verkündet ein sichtlich gutgelaunter Van der Bellen: "Wir haben uns selbst deklariert und uns entschieden, meine Kandidatur zu unterstützen." Er habe festgestellt, dass vielen nicht klar sei, dass jeder Kandidat die mindestens 6.000 Unterschriften braucht, sagt Van der Bellen. "Ich hoffe, dass sich viele diese zehn Minuten nehmen."

"Wir haben uns selbst deklariert und uns entschieden, meine Kandidatur zu unterstützen", sagte Alexander Van der Bellen, nachdem er seine Unterschrift abgegeben hatte.
Foto: Christian Fischer

Und er nutzt die Gelegenheit, um für sich zu werben. Er wolle mit Kraft, Ruhe und vor allem Erfahrung in eine zweite Amtszeit gehen, betonte er. Denn auch wenn er es von allen Kandidaten wohl am leichtesten hat, es auf ausreichend Unterstützungserklärungen zu bringen, ist klar: Das Unterschriftensammeln ist ein definitiv nicht zu unterschätzendes Geschäft. Nicht auf der Mariahilfer Straße, und auch sonst nicht. (Stefanie Rachbauer, 9.8.2022)