Russland hat massive Angriffe – auch aus der Luft – an der Front im Osten der Ukraine durchgeführt, nahe der Stadt Donezk. Das zumindest behauptet Pawlo Kyrylenko, Gouverneur der gleichnamigen Region. Die Information lässt sich – wie viele im Ukraine-Krieg – nicht unabhängig bestätigen, so auch seine folgende Aussage: "Der Feind hat keinen Erfolg. Die Region hält stand." Mehr als 3.000 Personen wurden auch diese Woche wieder aus der Region evakuiert.

Das britische Verteidigungsministerium, das permanent von seinen Geheimdiensten über die Geschehnisse in der Ukraine informiert wird und täglich eine Stellungnahme dazu veröffentlicht, erklärte am Dienstag, Russland habe trotz der intensivierten Angriffe in Donezk am Wochenende versucht, seine Verteidigungslinie im Süden der Ukraine zu stärken. Die Truppenbewegungen gelten als Reaktion auf die ukrainische Offensive in der Region, die sich vor allem durch die US-Mehrfachraketenwerfer Himars durchaus erfolgreich gestalte.

Im Süden liegt auch die Stadt Saporischschja mit ihrem Atomkraftwerk, das in den vergangenen Tagen erneut für internationale Besorgnis sorgte. Schließlich geriet das AKW-Gelände mehrfach unter Beschuss, die Schuld dafür gaben Kiew und Moskau jeweils der Gegenseite.

Bisher keine Strahlung

Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz erklärte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es sei bisher keine radioaktive Strahlung ausgetreten. Damit das so bleibt, kündigte Moskau an, die Luftabwehr um das AKW zu verstärken. Europas größtes Atomkraftwerk laufe normal, die beschädigten Stromverbindungen seien repariert worden, so der Chef der separatistischen Zivilverwaltung in der Region, Jewgeni Balizky.

Medienvertreter durften auf Einladung der russischen Armee das Gelände des Atomkraftwerks Saporischschja betreten.
Foto: Imago / Ria Novosti

Die Anlage ist seit Anfang März in russischer Hand. Bereits am Montag wurden Stimmen laut, die eine entmilitarisierte Zone rund um das AKW beziehungsweise einen internationalen Einsatz im AKW fordern. "Von unserer Seite aus sind wir bereit, maximal mögliche Unterstützung zur Lösung organisatorischer Fragen zu leisten", hieß es am Dienstag zu möglichen Visiten der IAEA.

Explosionen auf der Krim

Noch weiter südlich, auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim, waren am Dienstagnachmittag mehrere Explosionen nahe dem russischen Luftstützpunkt Nowofedoriwka zu sehen und hören. In Sozialen Medien kursierten zahlreiche Videos, auf denen mehrere Rauchsäulen zu sehen waren. Von rund einem Dutzend kleineren und mindestens drei großen Explosionen war die Rede.

Zunächst hieß es von russischen staatlichen Nachrichtenbehörden, dass weder Gerät zerstört, noch Personen verletzt worden sein. Der lokale Gouverneur musste später jedoch den Tod einer Person bekanntgeben. Mindestens neun Personen seien zudem verletzt worden. Noch ist völlig unklar wodurch die Explosionen ausgelöst wurden. Weil die Region mehr als 200 Kilometer von der Frontlinie entfernt ist, müssten äußerst effektive Langstreckenwaffen eingesetzt worden sein, wenn es sich um Raketenbeschuss handelte.

Während es Spekulationen über einen ukrainischen Sabotageakt gab, berichtet die "New York Times" unter Berufung auf einen hochrangigen ukrainischen Militär von einem Raketenangriff. Wenn diese Information stimmt, wäre sie ein Beleg für neue, überrschende Offensivmöglichkeiten der ukrainischen Streitkräfte. Von Moskau hieß es zunächst nur, dass ein Unfall in einem Munitionslager zu den Explosionen geführt haben soll.

Unterdessen wurde laut Moskau der Transit von russischem Öl über die Pipeline Druschba durch die Ukraine schon per 4. August eingestellt. Der russische Pipeline-Monopolist Transneft machte die Ukraine für den Lieferstopp verantwortlich. Laut einem Transneft-Sprecher hängt dies mit Zahlungsproblemen zusammen: Die Ukraine fordere für die Durchleitung Vorauskassa, doch von Transneft getätigte Zahlungen seien wegen neuer europäischer Sanktionen zurückgewiesen worden.

"Tatsächlich hat (das ukrainische Unternehmen) Ukrtransnafta das Durchpumpen von Öl nach Ungarn, Tschechien und in die Slowakei über den Südstrang der Pipeline Druschba am 4. August um 6.10 Uhr in der Früh vollständig gestoppt", gab Transneft am Dienstag bekannt.

Kein russisches Öl in der Slowakei

Von ukrainischer Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung. Dafür erklärte der slowakische Pipeline-Betreiber Transpetrol, dass aktuell kein russisches Öl durch die Druschba-Pipeline ankomme.

Die Slowakei greift für die Produktion nun auf staatliche Reserven zurück. Zudem soll sie bereit sein, die ausstehenden Überweisungen an die Ukraine zwischenzeitlich zu tätigen. Das Problem könnte dadurch binnen weniger Tage gelöst und die Ölversorgung wiederhergestellt werden, glaubt man bei Transpetrol. Auch Tschechien äußerte sich in diese Richtung, ohne Details zu nennen. Über die Nordroute der Druschba, die durch Belarus und Polen bis nach Deutschland führt, werde hingegen weiter geliefert.

Die EU-Staaten hatten sich im April auf ein schrittweises Ölembargo gegen Russland verständigt. Ungarn, Tschechien und die Slowakei hatten jedoch unter Verweis auf ihre starke Abhängigkeit von russischen Lieferungen eine weitgehende Ausnahme der Lieferungen über die Druschba-Pipeline durchgesetzt. (Kim Son Hoang, Fabian Sommavilla, 9.8.2022)