1,4 Millionen Menschen, die in diesem Land leben und alt genug wären, dürfen bei der Bundespräsidentschaftswahl ihre Stimme nicht abgeben.

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Stell dir vor, es sind Wahlen – und keiner geht hin. Bei "keiner" ist Österreich zwar noch nicht angelangt, doch der eingeschlagene Pfad führt in diese Richtung: Satte 1,4 Millionen Menschen, die in diesem Land leben und alt genug wären, dürfen bei der Bundespräsidentschaftswahl ihre Stimme nicht abgeben. Das sind rund zweieinhalbmal so viele wie noch vor 20 Jahren. Immer mehr Menschen bleibt hierzulande also ein essenzielles politisches Grundrecht verwehrt.

Kein Schaden für die Allgemeinheit

Wer unbedingt wählen will, kann ja die Staatsbürgerschaft annehmen, wird Betroffenen meist gesagt. Das ist zynisch: Das hiesige Staatsbürgerschaftsrecht ist eines der restriktivsten und unbeweglichsten. Menschen aber sind mobiler geworden, die Gesellschaft diverser. Logischer Schluss: Lebt jemand für längere Zeit hier, dann soll diese Person auch mitbestimmen können, wer über sie bestimmt – auf allen politischen Ebenen. Der Allgemeinheit würde das nicht wehtun.

Neue Realitäten werden ignoriert

Österreich ignoriert diese neuen Realitäten aber. Leider. Mit einer derartigen Haltung zieht man die Politverdrossenen (derer es ohnehin genug gibt) von morgen heran. Sollten die 16-Jährigen, die im Herbst ausgeschlossen sind, irgendwann doch abstimmen dürfen: Wer weiß, ob sie Wählen dann interessiert? Demokratie ist nicht nur eine Form der Herrschaft, sondern auch eine Praxis: eine Praxis, die so viele wie möglich so früh wie möglich üben dürfen sollten. Damit sich die Frage, ob man überhaupt zu Wahl hingeht, erst gar nicht stellt. (Stefanie Rachbauer, 15.8.2022)