Gegen den Tourismus an sich habe er nichts, sagt der Autor Felix Mitterer. Aber: "Ich habe etwas dagegen, wenn es nur um den Tourismus geht." Seine Wohnung im Tiroler Schwaz hat der deshalb schon gekündigt.

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Tirol ist ein hartes Pflaster. Das ist überall dort so, wo der Tourismus eine überdimensionale Rolle spielt", sagt Felix Mitterer und seufzt. Allerdings gilt dieser Seufzer weniger den Tiroler Verhältnissen als vielmehr den unzähligen Reaktionen, die derzeit auf den Tiroler Dramatiker und Autor der berühmten Piefke-Saga einprasseln. Auf der Straße, im Wirtshaus, sogar in der Autowerkstatt werde er nur mehr auf das eine Thema angesprochen, so Mitterer. Auch das Mobiltelefon brummt ständig, während wir an seinem Küchentisch sitzen.

Erst 2020 haben Mitterer und seine Frau Agnes Beier eine städtische Mietwohnung in einem historischen Gebäude im Tiroler Schwaz bezogen. Nach vielen Jahren, die der Autor in Irland und in Niederösterreich gelebt hatte, war seine "Heimkehr" in Tirol ein Riesenthema. Jetzt will er wieder weg. Weil es nicht einzusehen sei, dass er die "weitere Vernichtung des Landes mitfinanzieren" solle. Mit keinem Cent wolle er das tun. Aus Prinzip. Es geht um die Tourismusabgabe, die in Tirol – anders als in anderen Bundesländern – auch Künstlerinnen und Künstler zu zahlen haben.

Nach dem Skandal hofiert

Felix Mitterer ist nicht der Erste, der das kritisiert hat, aber seine Stimme hat in Tirol Gewicht. Seine Piefke-Saga mag einmal als Skandal gegolten haben, inzwischen ist sie längst Kult. Mitterer-Stücke werden in Tirol rauf und runter gespielt. Heute wird im Land kaum ein Künstler so hofiert und geehrt wie er. Vom Landeshauptmann abwärts ist man stets bemüht, den großen Sohn des Landes nicht zu vergrämen. Der Skandal von einst? Längst vergessen. Die kritischen Auseinandersetzungen mit Tiroler Verhältnissen in Stücken wie Stigma,Kein Platz für Idioten oder Kein schöner Land? Längst "Klassiker" der Tiroler Theaterliteratur. Der Vorlass Mitterers? Für 250.000 Euro vom Land Tirol angekauft.

Abgesehen von seinen literarischen Themen war Mitterer aber nie einer, der lautstarke Kritik an Tirol, dem Tiroler Tourismus oder dem Tagesgeschehen geübt hat. Da gab es andere, etwa den Volkskundler Hans Haid. Und wenn Mitterer, wie zuletzt im Streit der alten Riege der Tiroler Volksschauspiele mit der Gemeinde Telfs, doch öffentlich Kritik geübt hat, dann kamen dabei oft ein wenig verworrene Geschichten heraus, wie die Sache mit dem von ihm zurückgegebenen, aber von Telfs nie angebotenen Ehrengrab.

In diesem Fall aber ist die Sache anders gelagert, denn es geht Mitterer um Grundsätzliches. Schwaz ist die Hauptstadt jenes Bezirks, in dem er geboren wurde und zu dem auch das Zillertal gehört, wo vor dreißig Jahren die Piefke-Saga gedreht wurde. Es ist eine Gegend, mit der sich Mitterer auch in vielen Stücken beschäftigt hat, die aber auch für viele Fehlentwicklungen steht. "Der Verkehr in Tirol ist grauenhaft, schrecklich. Ich rede von Pkws und Staus auf den Straßen ins Zillertal oder ins Ötztal, und ich rede von der Inntalautobahn, wo sich die Lkws stauen, weil’s offenbar immer noch günstiger ist, über den Brenner zu fahren als woanders", sagt Mitterer im STANDARD-Gespräch. Er redet außerdem vom Tourismus, der "einfach zu viel" sei, und trotzdem gehe es nach der Pandemie "genau gleich weiter wie bisher. Es ist unfassbar."

"Nichts gegen den Tourismus"

Und dabei, betont Mitterer, habe er "überhaupt nichts gegen den Tourismus. Das habe ich damals schon gesagt, als ich diese blöde Piefke-Saga geschrieben habe. Denn ich kenne auch die Armut. Die war im Unterinntal nie so schlimm wie im Oberen Gericht, im Paznauntal oder anderswo. Dort haben die Leute berechtigterweise einen Zorn auf die Natur gehabt, und der Tourismus hat sie erlöst. Die haben zusammen in Ischgl eine Seilbahn gebaut, und auf einmal ist das Werkl gelaufen und alles hat sich geändert." Aber, sagt Mitterer: "Ich habe etwas dagegen, wenn es nur um den Tourismus geht."

Dass ihm der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) angeboten haben soll, ihm die Tourismusabgabe zu erlassen, sorgt in Tirol für Irritationen. Mitterer sagt, er habe das ohnehin rundweg abgelehnt. Und bei Erwin Pröll, Ex-Landeshauptmann von Niederösterreich, angerufen. "Dort zahlt kein Künstler eine Tourismusabgabe", sagt Mitterer.

Die Koffer sind noch nicht gepackt, aber der Mietvertrag in Schwaz ist bereits gekündigt. "Tirol ist meine Heimat, und Heimat bedeutet mir auch viel, aber man muss nicht dort sein. Heimat hat für mich immer bedeutet, dass ich mich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetze, und ich weiß unglaublich viel und noch immer viel zu wenig über die Heimat. So ist es halt."

Zuletzt hat Mitterer bekanntlich für eine Fortsetzung der Piefke-Saga in Ischgl recherchiert – Stichwort: Corona-Pandemie. Das Drehbuch liege fertig in der Schublade, sagt er, es scheitere an der Umsetzung. Der ORF erklärt auf Anfrage, man sei im Austausch. Konkrete Pläne fehlen. (Ivona Jelčić, 20.8.2022)