Dass die Politik angesichts der horrend steigenden Energiepreise reagieren muss, steht außer Frage. Es geht um das Wie. Deutschland prescht nun mit einer Maßnahme vor, die auch in Österreich wiederholt diskutiert wird. Die Mehrwertsteuer auf Gas wird vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt – bis zum Jahr 2024, wie der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) ankündigte.

An der Staatsspitze verspricht man sich dadurch deutliche Entlastungen für die energiepreisgeplagte Bevölkerung. Warum macht Deutschland das? Hintergrund ist die Gasumlage, mit der Importeure ab Anfang Oktober erhöhte Beschaffungskosten an die Verbraucher weitergeben können. Die höheren Einkaufspreise werden auf alle Gasnutzer überwälzt – ob Privatleute oder Unternehmen. Zunächst macht der Aufschlag 2,4 Cent pro Kilowattstunde aus. Deutschland will damit Pleiten akut bedrohter Importeure vermeiden. Würden diese pleitegehen, würden die Preise erst recht steigen.

Den langfristigen Bezug von russischem Erdgas übernehmen beim deutschen Nachbarn mehrere Konzerne.
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Der Unterschied zu Österreich: Den langfristigen Bezug von russischem Erdgas übernehmen beim deutschen Nachbarn mehrere Konzerne. Bei Uniper, die anders als OMV über keine eigene Gasproduktion verfügt, musste der Staat einspringen. Die Gasumlage entspringt dieser Notlage. Von der wiederum auch die OMV profitiert. Der heimische Mineralölkonzern soll über die Umlage Mehrkosten geltend gemacht haben, wie das deutsche Handelsblatt berichtet. Damit ist die OMV aber nicht allein, auch Uniper, Sefe oder die Schweizer Axpo hätten Anträge eingebracht. Insgesamt sollen ersten Schätzungen zufolge zwölf Konzerne mit 34 Milliarden Euro unterstützt werden. Darunter Energieriesen, für die es wirtschaftlich gut läuft. Wie etwa die OMV.

Steuersenkung

Um die mit der Gasumlage für die Konsumenten weiter steigenden Preise abzufedern, nun also die angekündigte Mehrwertsteuersenkung. Die sorgt für Lob und Kritik. Von der Wirtschaft kommt Zustimmung, Unternehmen und Verbände begrüßen die Maßnahme. Wissenschafter urteilen kritisch. "Das ist wieder einmal Gießkannenprinzip", sagt Jens Südekum, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums. "Nötig wäre eine Politik, die Preissignale wirken lässt und Belastungen dort abfedert, wo es notwendig ist: bei Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Die Senkung der Mehrwertsteuer verfehlt beides."

Die angekündigte Mehrwertsteuersenkung sorgt für einige Kritik.
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Das Argument: Auch Gutverdiener profitieren, das könne sich der Staat derzeit gar nicht leisten. Zudem würden die Anreize zum Gassparen verringert. Entlastet würden vor allem jene, die auch mehr Gas verbrauchen, moniert auch der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien.

Richtige Anreize

Die heimische Regierung steuert auf einen anderen – vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo skizzierten – Weg zu: ein subventioniertes Energiekontingent zum Fixpreis. Für Strom, der darüber hinaus verbraucht wird, ist der Marktpreis zu bezahlen. Um Haushalte mit hohem Stromverbrauch nicht zu bevorzugen, soll als Richtwert der durchschnittliche Konsum von Haushalten der jeweiligen Größenordnung dienen, präzisieren die Wirtschaftsforscher. Laut Wifo sollen die Energieversorger für die subventionierten Preise entschädigt werden.

Eine Gaspreisbremse, gestrickt nach dem gleichen Prinzip, wie sie Vizekanzler Werner Kogler ins Spiel gebracht hat, sei möglich. Allerdings sollte laut Wifo ein Stromkontingent Vorrang haben. Strom bräuchten alle Haushalte. Und eine Strompreisbremse hätte einen weiteren Effekt: Die Subventionierung der Energierechnung könnte die gemessene Inflationsrate reduzieren – das hätte Auswirkungen auf Mietpreisindexierung und Lohnverhandlungen. (Regina Bruckner, Andreas Danzer, 19.8.2022)