Dass Sanktionen mit schweren Rückkoppelungen für Europa stets sorgfältig abgewogen werden müssen, ist richtig – aber eigentlich auch müßig zu erwähnen.

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Es war von Anfang an klar: Sanktionen gegen Russland werden ein politisches Dilemma mit sich bringen. Denn wie der russische Präsident Wladimir Putin tickt, war für die Weltgemeinschaft absehbar. Wer ein Nachbarland völkerrechtswidrig überfällt und einen brutalen Angriffskrieg auch gegen dessen Zivilbevölkerung führt, wird auch das sukzessive Zudrehen des Gashahns, ohne mit der Wimper zu zucken, als "Waffe" gegen den Westen einsetzen.

Was die EU und Österreichs Bundesregierung bei der Implementierung der Sanktionen also auch wussten: Putins Retourkutsche würde schmerzhaft werden. Steigende Gas- und Energiepreise, hohe Inflation, spürbare Einschnitte im Leben der heimischen Bevölkerung – auch das alles kam und kommt, wie von Fachleuten prognostiziert.

Innenpolitisches Kleingeld

Diese Tatsache für innenpolitisches Kleingeld zu nützen mag verlockend sein und in Teilen der Bevölkerung gut ankommen. Politische Verantwortung zeigt man damit aber nicht. Das gilt auch für Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der die EU-Sanktionen zum Start ins Wochenende per Zeitungsinterview infrage stellte.

Dass Sanktionen mit schweren Rückkoppelungen für Europa stets sorgfältig abgewogen werden müssen, ist richtig – aber eigentlich auch müßig zu erwähnen. Stelzers Äußerung, von der bekannt Russland-freundlichen FPÖ prompt dankbar aufgegriffen, stärkt indirekt auch die Erzählung unreflektiert prorussischer Kreise, die Putin, der von der Nato in die Enge getrieben worden sei, weiter als Opfer des Westens darstellen.

Keinen Auftrieb geben

Dieser Erzählung keinen Auftrieb zu geben und damit auch Putins Spaltungsstrategie nicht mittelbar zu stützen, sollte die staats- und europapolitische Verantwortung eigentlich auch dann gebieten, wenn Landtagswahlen vor der Tür stehen, in denen die ÖVP teils mit dem Rücken zur Wand steht. (Martin Tschiderer, 21.8.2022)