Er war kein einfacher Zeitgenosse: Manfred Krugs Tagebücher erzählen von den miesepetrigen Seiten des beliebten Schauspielers, der 2016 in Berlin verstorben ist.
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Mit Tagebüchern von Prominenten ist das so eine Sache: Unübertroffen sind die legendären Diaries von Andy Warhol, der darin Klatsch und Tratsch verwurstet ("Bianca Jagger ist so fett geworden!") oder sich über Wirtschaftliches Gedanken macht ("Dieses 15-stöckige Haus hätte ich kaufen sollen, als es noch um 50.000 Dollar zu haben war!"). Hinzu kamen Partys, Drogen, Reisen und (meist unglückliche) Liebschaften, die ihn ein Leben lang einsam bleiben ließen.

Seiner Kunst, die später um Millionen gehandelt wurde, war er sich nie sicher. Das ganze protokollarische Gejammere ("Taxi: 3 Dollar. Zeitungen: 2,40 Dollar. Alles ist so teuer geworden!") diktierte er jeden Morgen per Telefon seiner Sekretärin, was den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass er sich nicht um "die schöne Sprache" bemühte: "Paramount hat nicht angerufen" genügte, um zu wissen, dass Jon Gould, ein Filmmogul aus Hollywood und heimlicher Geliebter, ihn wieder mal hatte sitzen lassen. Dazu Aids, Gallenblase, Gewichtsprobleme und zwei Hunde, die ausgeführt werden müssen.

Vom Ruhrpott in die DDR

Und nun Manfred Krug mit einer Biografie, die einem erst einmal in die Wiege gelegt werden muss: 1937 in Duisburg im westdeutschen Ruhrpott geboren, zog er nach der Scheidung der Eltern mit dem Vater "rüber" in die DDR nach Leipzig, das war 1949. Dort lernte er zunächst Stahlschmelzer, besuchte danach eine Schauspielschule in Berlin, wo er mit seinem Lebensfreund Jurek Becker zusammenlebte, beide etablierten sich bald als Stars der DDR, Becker als Autor, Krug als Schauspieler, der nebenher auch noch ganz proper Jazz singen konnte.

Nachdem er den Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns unterzeichnet hatte, stellte Krug 1977 einen Ausreiseantrag, der ihm zusammen mit Frau Ottilie und drei Kindern auch genehmigt wurde, fünf Oldtimer durften auch mit. In der BRD – stets überwacht von der Stasi – setzte er seine Karriere nicht nur fort, sondern schraubte sie in lichte Höhen: als Stoever im Hamburger Tatort, als Liebling in Liebling Kreuzberg und als Gesicht der Deutschen Telekom: "Wenn die jetzt an die Börse geht, geh ich mit!" 1995 schließlich bekam er mit der Schauspielerin Petra Duda noch eine Tochter Marlene. Seine Gattin Ottilie, mit der er Tür an Tür zu dieser "Zweitfamilie" lebte, kriegte davon lange nichts mit.

Auch hier also genug Stoff für gute Tagebücher, allein das aufgeschriebene Leben hält in seinem Fall mit dem gelebten nicht Schritt. Jedenfalls nicht in den Jahren 1996 und 1997, durch die sich Krug im ersten Band, den der Berliner Kanon-Verlag nun auflegt, mäandert. Zu der Zeit ist Töchterchen Marlene gerade ein Jahr alt, und wie das mit "späten Vätern" so ist, vergöttert auch Krug es und schreibt ihm allerlei "geniale" Fähigkeiten zu.

Überraschend, wie wenig ihm immer gefiel, was sein bester Freund Jurek Becker, der im März 1997 starb, für ihn schrieb: Stets doktert er an dessen Büchern herum. Und dann die Frauen! Prinzessin Diana, deren Tod im August 1997 er kommentiert, war "niedlich"; manch "kleiner Arsch" einer anwesenden Sekretärin gefiel ihm; auf das eine oder andere "Weib" wäre er neugieriger gewesen, wenn er das Alter nicht schon gespürt hätte. Oft soff er dann lieber, oder er machte sich "die sehr gute Aldi-Schweinekopf-Sülze mit etwas Zwiebel und Öl an. Famos." Prost Mahlzeit.

Missgünstige Seite

Das höchst schwierige Verhältnis zu seinem Vater hingegen erwähnt er nur kurz, dafür "dropt" er Dutzende "names" alter DDR-Schauspielkollegen und -kolleginnen, die er weder mochte noch schätzte. Seinen eigenen Abschied aus der DDR 1977 verarbeitete er 20 Jahre später in seinem Buch Abgehauen, dessen Riesenerfolg auch seine miesepetrige und missgünstige Seite zum Vorschein bringt: Lieber liest er es ein zweites Mal ein, als anderen finanziellen Nutzen aus der ersten Aufnahme zu gönnen.

Wirklich tiefe Einblicke in sein frühes Leben ("Alles, was ich hatte, waren Hunger und ein paar Reclam-Hefte") gönnt er uns kaum, dafür versucht er sich an müden Sprachspielen: "Wöff Klickoh" nennt er den Sprudel, wenn er ihn zu einer Geburtstagsparty mitnimmt. Man darf annehmen: Andy Warhol hätte mehr aus Manfred Krugs Leben gemacht, hätte er es in seine Tagebücher diktiert. (Manfred Rebhandl, 23.8.2022)