Sophia Blenda flüstert: "Offen bleibt, wer in die Zukunft greift."

Foto: Sophie Löw

Wenn die Welt sich dazu überreden lässt, mit ihrem Untergang noch ein wenig zuzuwarten, sagen wir zum Beispiel bis zur nächsten totalen Sonnenfinsternis in Europa 2081, dann wird man einmal historisch klären müssen, warum. Warum ziehen sich junge Leute heute tendenziell so sehr in ihre Schneckenhäuser zurück, um dort im Trauermarschduktus das Leid des privilegierten, allerdings mittlerweile bei zügigem Tempo zerfallenden weißen Mittelstands anzustimmen? Warum wird nicht einmal auf den Putz gehaut, gegen die Verhältnisse angeschrien?

Das erste Soloalbum von Sophia Blenda aus Wien ist ein sehr gutes und auch schön klingendes Beispiel dafür. Es nennt sich ausgerechnet "Die neue Heiterkeit", fischt aber im stimmungstrüben kammermusikalischen Bereich. Es orientiert sich textlich eher an einer Stimmungslage, die man unter dem Begriff Galgenhumor zusammenfassen kann. Der Humor unter dem Galgen ist bekanntlich der letzte Humor.

Angst, Drama, Resignation

Die Hamburger Band Die Heiterkeit um Stella Sommer wusste davon schon auf programmatisch betitelten Alben wie "Pop & Tod I + II" oder zuletzt 2019 auf "Was passiert ist" zu singen. Ausgestattet mit Klavier und diverser elektronischer Gerätschaft, die klingt wie ein pochendes Echolot in einem intergalaktischen Zeitbeben plus dazugehörigem Photonensturm aus "Star Trek", als das Produktionsbudget schon ein wenig höher war, folgt Sophia Blenda diesen Spuren. Es wird alles in einen heuer mit absoluter Sicherheit kommenden Winter unseres Missvergnügens führen. Alles.

Sophia Blenda

Sophia Blendas Lieder handeln von Angst, Gewalt, dem Drama menschlicher Beziehungen, Resignation, Aufgabe: "Als dein Steinbruch abgetragen war/ Ich Zement in deinen gefrorenen Haaren sah / Dachte ich, alles zerrinnt / Und du kommst als Fels zu mir."

Sophia Blenda

Bisher ist Sophia Blenda mit ihrer Band Culk auch nicht gerade ein Kind des Frohsinns gewesen. Damals orientierte sich die noch auf Englisch statt auf Deutsch singende Blenda mit ihrer Gitarrenband oft am alten Gruftiekönig Robert Smith und The Cure in deren schlanker früher Phase. Mit flüsternder, Richtung Soap & Skin gebrochen durch Billie Eilish gehender Gesangsstimme zeichnet sich am Ende im Titelstück des Albums "Die neue Heiterkeit" allerdings doch so etwas wie ein Funke Hoffnung ab: "Offen bleibt, wer in die Zukunft greift."

Der Satz kann aber letztlich auch wieder so oder so gelesen werden.

(Christian Schachinger, 23.8.2022)