Im Clinch mit der ÖVP wegen der Prioritäten beim Klimaschutz: Grünen-Ministerin Leonore Gewessler.

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Die ÖVP macht aus ihrer Unlust kein Hehl. "Das Klimaschutzgesetz ist ein Grundgeräusch in dem Ganzen, aber nicht das Allerwesentlichste", begründete der Abgeordnete Johannes Schmuckenschlager, warum die türkis-grüne Koalition in der Sache nicht weiterkommt. Die Klimaziele ließen sich auch auf anderem Weg erreichen – etwa mit dem Gesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energie und der Beschleunigung der Umweltverträglichkeitsprüfung, um entsprechende Projekte rasch umzusetzen: "Da ist jetzt das Klimaschutzgesetz nicht die oberste Priorität."

Das bringt der ÖVP eine verärgerte Replik vom Koalitionspartner ein. Sie müsse da etwas richtigstellen, sagte Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler im Ö1-"Morgenjournal". Sehr wohl habe das Klimaschutzgesetz Priorität: "Wir arbeiten intensiv daran und werden auch dieses Gesetz fertigkriegen." Schmuckenschlagers Verweis auf vermeintliche Alternativen verfängt bei der Grünen nicht. "Das ist kein Entweder-oder, das ist ein Und", argumentiert Gewessler, "das weiß auch der Koalitionspartner."

Österreich als "Musterland"

Umstritten ist bei dem Thema vor allem die Frage die Verbindlichkeit. Die Grünen wollen die Klimaziele in der Verfassung verankern – mit Strafzahlungen für Bund und Länder bei Verfehlungen. Bei einer Pressekonferenz des Tiroler Landesenergieversorgers Tiwag in Jenbach räumte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag ein: "Es gibt unterschiedliche Auffassungen." Man müsse bereit sein, "Abwägungen zu treffen", meinte Nehammer in Richtung der Grünen.

Nehammer verwahrte sich dagegen, dass "fälschlicherweise kombiniert wird", ein Klimaschutzgesetz sei in Österreich notwendig, um das Klima zu schützen. Hier müsse man einmal die Relation im europäischen Vergleich herstellen: "Österreich ist ein Musterland, was den Klimaschutz und die erneuerbaren Energien betrifft."

Ehrgeizigeres Ziel in Deutschland

Doch ist die Ministerin nicht selbst säumig? Immerhin will Deutschland bis zu 20 Prozent des Gasverbrauchs einsparen, Österreich aber nur 15 Prozent. Was heiße hier "nur", erwidert Gewessler auf eine entsprechende Frage im "Morgenjournal", dieses Ziel sei sehr ambitioniert. An konkreten Vorgaben dazu, wie etwa öffentliche Räume beheizt werden sollen, werde gerade gearbeitet. Im eigenen Ministerium sei das, derzeit naturgemäß für den Sommer, übrigens bereits geregelt: Die Standardtemperatur der Klimaanlage sei mit 28 Grad festgelegt.

Gewessler will sich Deutschland auch nicht als ambitionierteres Vorbild vorhalten lassen, wenn es um die beim Nachbarn bereits laufende, hierzulande aber ausstehende öffentliche Kampagne für das Energiesparen geht. Die Lage sei insofern nicht vergleichbar, als jenseits der Grenze auch im Sommer viel Strom mit Gas produziert werde, während Österreich weitgehend mit erneuerbarer Energie auskomme – Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Biomasse. Sie wolle öffentliches Geld für eine Kampagne erst dann ausgeben, wenn diese Wirkung habe, und das sei mit dem Start der Heizsaison im Herbst.

Bremsen bei der Strompreisbremse

Manche Ambitionen bremst aber auch Gewessler. Die geplante Strompreisbremse, die einen Grundbedarf an Verbrauch verbilligen soll, lasse sich mit einer sozialen Staffelung schwer vereinen. Solle die Hilfe rasch bei den Menschen ankommen, werde man "Komplexität rausnehmen" müssen: Je mehr man differenziere, desto komplizierter und langfristiger werde die Umsetzung. Das sieht auch Nehammer so, er spricht sich für eine "möglichst breitflächige und schnelle Entlastung" aus, bei der die soziale Staffelung "nicht die oberste Priorität habe". Damit sind sich Gewessler und Nehammer in diesem Punkt einig. Das Konzept für die Strombremse solle Ende August fertig sein.

Vage bleibt Gewessler bei der Frage, ob die Regierung Übergewinne von Energiekonzernen via Sondersteuer abschöpfen wird. Es könne nicht sein, dass aufgrund eines Krieges überproportional profitiert werde, sagt sie: "Auch dieses Modell muss man sich anschauen." (jo, 23.8.2022)