Der Innenminister will potenzielle Asylwerbende mit drastischen Sujets davon abhalten, Richtung Europa zu ziehen.

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Eine neue Onlinekampagne des Innenministeriums soll potenzielle Asylwerberinnen und Asylwerber davon abhalten, sich auf den Weg Richtung Europa zu machen. Ziel sei, eine Art "Gegenmarketing gegen die Erzählungen und die Lügen der Schlepper" zu machen, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Dienstag auf einer Pressekonferenz im Ministerium, auf der die Kampagne präsentiert wurde. Kosten soll sie laut Ressort rund 260.000 Euro.

Die Sujets werden in den Herkunftsländern potenzieller Asylwerbender geschaltet – und zwar vor allem auf Facebook und Instagram sowie in Google Ads. Künftig seien auch Schaltungen in Onlinemedien in diesen Länden angedacht, hieß es aus dem Ministerium auf Nachfrage des STANDARD.

Antragszahlen steigen, viele ziehen weiter

Im Hintergrund der Kampagne stehen stark steigende Zahlen bei Asylanträgen in Österreich. So sind die Anträge im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von knapp 10.900 auf mehr als 31.000 gestiegen. Das entspricht einem Anstieg von 186 Prozent binnen eines Jahres. Im Juli kamen rund 11.000 weitere Anträge hinzu.

Bei vielen Menschen, die in Österreich einen Asylantrag stellen, findet das Asylverfahren allerdings dennoch nicht in Österreich statt – und sie kommen hierzulande auch nicht in die Grundversorgung. Denn ein großer Teil dieser Menschen zieht nach dem Stellen des Antrags in andere EU-Länder weiter. NGOs schätzen, dass das die Mehrheit der Antragsstellenden ist.

Migrationsforscherin Judith Kohlenberger über die Wirksamkeit von Kampagnen in Herkunftsländer, und die Vorteile von mehr Flexibilität im Asylsystem.
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"No way, no chance"

Laut Karner sei ein "Gegenmarketing" auch nötig, weil Schlepper sehr rasch auf neue Phänomene reagieren würden. So hätten sie den Krieg Russlands gegen die Ukraine für die Erzählung genützt, dass Europa Asylwerberinnen und Asylwerbern praktisch generell "offen" stehe. Deshalb lanciere man die Kampagne nun in acht Herkunftsnationen in den jeweiligen Landessprachen – mit Schwerpunkt Tunesien und Marokko und neuerdings auch in Indien, das im Juli auf Platz eins bei Asylanträgen in Österreich lag.

Die Kampagne warne in mehreren "teils drastischen Sujets" davor, dass man sich "in Todesgefahr begibt, wenn man sich diesen brutalen Banden anvertraut", sagte Karner. "No way, no chance", also "Kein Weg, keine Chance" sei die entscheidende Nachricht an potenzielle Asylwerbende.

Martialische Optik

Zu sehen ist auf den mitunter martialischen Sujets etwa ein Grenzsoldat mit einem Schäferhund, der vor einem Grenzzaun mit Stacheldraht steht, darunter der Schriftzug "there is no way". Auf anderen Bildern ist in verschiedenen Sprachen zu lesen: "Du kannst nicht bleiben" oder "Du wirst scheitern".

Laut Karner sei das Asylsystem mit den aktuell hohen Antragszahlen "an der Belastungsgrenze angekommen", wozu nicht zuletzt die vielen Anträge aus Ländern wie Tunesien, Marokko oder Indien beitrügen, die Karner neuerlich als "Urlaubsländer" bezeichnete. Daher seien Maßnahmen nötig, "damit das Asylsystem glaubwürdig bleibt und nicht unterlaufen wird". Die Unterscheidung zwischen Asyl und Migration sei "absolut nötig".

Grenzkontrollen und Visa-Einschränkungen

Bereits im Jahr 2016 hatte die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eine "Informationskampagne" für Afghanistan gestartet. In der Landessprache wurden auch damals entsprechende Sujets geschalten. Auch durch Zeitungsinserate sollten die Menschen vom Weg nach Österreich abgehalten werden. Doch der Erfolg der Kampagne ist bis heute umstritten. Karner bekräftigte in der "ZiB 2" am Dienstag dennoch die Erfolgschancen einer Anti-Schlepper-Kampagne. Da Personen aus Indien vorwiegend mit dem Flugzeug ohne Visum nach Serbien fliegen und von dort weiterreisen, sollen auch Grenzen strenger Kontrolliert werden. Speziell an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn, sowie an jener zwischen Ungarn und Serbien soll verstärkt kontrolliert werden, so Karner im Interview. Zudem soll die Visafreiheit in Serbien für Einreisende aus Indien laut Karner verhandelt werden.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erklärt die Motivation für seine Online-Kampagne gegen illegale Migration.
ORF

Fachleute und NGOs kritisieren unterdessen, dass nach wie vor keine praktikablen Wege für legale Migration nach Europa beziehungsweise Österreich geschaffen wurden, weshalb Menschen in den meisten Teilen der Welt gar nichts anderes übrig bliebe, als die Einwanderung über den Umweg eines Asylantrags zu versuchen.

"Profit auf Kosten der Migrantinnen"

Von "wirtschaftlichem Missbrauch des Asylrechts" sprach auf der Pressekonferenz auch die aus Syrien stammende Rasha Corti, Mitglied im Expertenrat für Integration und als Übersetzerin für die Polizei tätig. Österreich solle ein humanitäres Land sein, "aber kein naives". Schlepper würden angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Maghreb oder in Ägypten falsche Hoffnungen schüren. Es gehe ihnen nicht um das Wohl der Menschen, sondern ausschließlich um ihren eigenen Profit.

Schlepper seien keine Fluchthelfer, sondern würden "Profit auf Kosten der Migrantinnen und Migranten" machen, sagte auch Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt. In Chats von Schleppern würden Nachrichten auftauchen wie "Die Ware darf nicht verrotten" als Synonym für "Die Migrantinnen und Migranten sollen nicht sterben" oder "Wirf das Obst weg" als Synonym für "Entsorge die Leichen". (Martin Tschiderer, wisa, 23.8.2022)