Kohle nicht um jeden Preis – nach diesem Motto ging die Opposition im Nationalrat vor, sie bremste die Regierung beim Umstieg des Kraftwerks Mellach von Gas auf Kohle aus.

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Wien – Zurück an den Start heißt es bei der sogenannten Gaslenkungsverordnung. Das ist jene Direktive, mit der die Regierung in der aktuellen Gaskrise die Versorgung sicherstellen und die auf Erdgas angewiesenen Energie- und Fernwärmeversorger sowie Industriekonzerne am Laufen halten will. Zu diesem Zweck sollen Versorger, wo immer möglich, von Gas auf Öl oder Kohle umrüsten, um im Gasnotfall auf Anweisung alternativ Energie zu produzieren.

Die Opposition zeigte Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstag die rote Karte. SPÖ, FPÖ und Neos haben ihre Zustimmung verweigert. Die in Energiefragen unerlässliche Zweidrittelmehrheit im Hauptausschuss des Nationalrats war damit perdu – und der Eklat perfekt. "Grob verantwortungslos" nannten Gewessler und die grüne Klubchefin Sigrid Maurer das Verhalten der Opposition prompt. Das reaktivierte Kohlekraftwerk Mellach des Verbund-Konzerns könne im Notfall 260.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. "Ich mache die SPÖ verantwortlich, wenn Wohnungen von Familien und Kindern kalt bleiben."

Verordnung nachgebessert

Man habe Gespräche und Verhandlungen mit der SPÖ geführt und die Verordnung nachgebessert, sagte die Ministerin im Ö1-Mittagsjournal. Aber die Forderung, Konzerne mit Milliardengewinnen dürften für einen staatlich verordneten Umstieg von Gas auf Kohle oder Öl nicht gefördert werden, sei unannehmbar. Das sei gemäß Energielenkungsgesetz, dem die SPÖ zugestimmt habe, gar nicht zulässig, denn dieses verbiete einen Umstieg ohne finanzielle Abgeltung (siehe Wissen).

Diese Argumentation lässt Neos-Energiesprecherin Karin Doppelbauer nicht gelten. Die Regierung sorge nicht für Versorgungssicherheit. Bis jetzt sei nicht klar, wie viel von den eingelagerten 60 Terawattstunden an Erdgas tatsächlich Österreich gehöre. "Ein neuer Vorschlag muss kommen", sagt Doppelbauer, "denn ÖVP und Grüne wollen mit der Verordnung den Energieversorgern offenbar noch mehr Geld in den Rachen werfen."

Versorgungsauftrag

In dieselbe Kerbe schlägt der Energiesprecher der SPÖ, Alois Schroll: "Konzerne mit Übergewinnen sollten keine Entschädigung bekommen." Schließlich hätten Versorger wie Verbund einen Versorgungsauftrag, "und der gilt vor allem in schwierigen Zeiten". Ohne Preisstopp bei Energiepreisen werde man einer Entschädigung nicht zustimmen, betonte der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried.

Gelüftet wurde am Dienstag ein gut gehütetes Geheimnis: 300 Millionen Euro hat die Regierung für den Umstieg von Großabnehmern (über 50.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch) weg vom Gas reserviert. "Wie viele Terawattstunden Gas damit ersetzt werden sollen, ist aber nicht definiert", echauffiert sich Neos-Mandatarin Doppelbauer. Das sei eine Bevorzugung von Großbetrieben, normale Unternehmen würden beim Umstieg nicht in dem Ausmaß gefördert.

Allerdings sind 55 Energieversorger und Industriebetriebe für gut die Hälfte des jährlichen Gasverbrauchs in Österreich verantwortlich, was im Ernstfall Privathaushalten fehlt.

Ärger mit Staatshilfe

Gewaltigen Ärger mit Staatshilfen gibt es auch in Deutschland. Diesfalls geht es um die Vergemeinschaftung von Verlusten, die Erdgasversorger erwirtschaften, seit russisches Gas knapp und erheblich teurer ist. Vor allem seit die Namen der Profiteure bekannt geworden sind, die sich für Unterstützung aus der neuen Gasumlage anstellen.

Zu den Empfängern gehören nämlich nicht nur Großimporteure wie Uniper, die wegen der Gaspreisexplosion in die Pleite geschlittert wären, sondern auch hochprofitable Konzerne wie RWE, der niederländisch-schweizerische Rohstoffhändler Vitol, sein Schweizer Konkurrent Gunvor – und die österreichische OMV, die ebenfalls Gas nach Deutschland importierte, dank der Preis-Hausse allerdings Windfall-Profits in Rekordhöhe einstreift.

Stütze für Gasimporteure

Verbraucherzentralen laufen nun Sturm, weil mit der Gasumlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde (zuzüglich Mehrwertsteuer) ab 1. Oktober alle Gaskunden zur Kasse gebeten werden, um bis 2024 die insgesamt 34 Milliarden Euro aufzustellen, mit denen die Importeure gestützt werden. Mit der Gasumlage sollten Insolvenzen verhindert, die Absicherung von Gewinnen auf Kosten der Verbraucher aber ausgeschlossen werden. Unternehmen, die trotz sprudelnder Gewinne von der Umlage profitieren wollen, sollten keine Unterstützung bekommen, mahnte der Bundesverband Verbraucherzentralen (VZBV).

Das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin verwies darauf, dass die Umlage genau deshalb ausschließlich Importeure von russischem Erdgas nach Deutschland umfasse, aber nicht alle Energieversorgungsunternehmen. Es gebe zahlreiche Kriterien für Unternehmen, um Gelder aus der Gasumlage erhalten zu können, etwa den Nachweis über die aktuellen Extrakosten bei der Gasbeschaffung (bestätigt von Wirtschaftsprüfern). Eine drohende Insolvenz gehöre nicht zu den Antragskriterien, zitierte Reuters eine Sprecherin des Ministeriums.

Auch mit Milliardengewinnen

Als Energieversorger im klassischen Sinn ginge der Öl- und Gaskonzern OMV wohl eher nicht durch. Ob das teilstaatliche Unternehmen vom deutschen Fördertopf ferngehalten werden kann, darf also bezweifelt werden. Ein Verzicht kommt aktienrechtlich nicht infrage, damit würde sich das Unternehmen schaden.

Gemäß Verteilungsschlüssel entfallen auf Uniper und Gazprom Germania (heute: Sefe) 90 Prozent der Fördersumme. Acht Anbieter rund um RWE, OMV, Vitol und Co dürfen acht Prozent der Gesamtsumme erwarten. (Luise Ungerboeck, 24.8.2022)