Die beliebte dänische Fernsehserie Borgen galt und gilt allgemein als Klassiker des Feminismus. Alle Hauptpersonen sind Frauen, die Männer eher Randfiguren. Freilich, die Serie nimmt ein unerwartetes, weil scheinbar unfeministisches Ende: Die Außenministerin tritt zurück und macht einem Mann Platz, die Fernsehchefin erleidet einen Nervenzusammenbruch und geht heim zu ihrem Mann. Die Botschaft: Lebensqualität ist wichtiger als Karriere. Dass diese Erzählung einen Kern unserer Zeit trifft, bestätigen nicht nur wissenschaftliche Studien, sondern auch eine Umschau im persönlichen Umfeld.

Lebensqualität ist wichtiger als Karriere.
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Da ist das junge Paar, beide beruflich erfolgreich, das sich entschließt, nur noch in Teilzeit zu arbeiten, um, der Vater ebenso wie die Mutter, mehr mit ihren Kindern zusammen sein zu können. Oder der Manager, der um der Familie willen einen lukrativen Job im Ausland ausschlägt. Die Ärztin, die lieber im Spital Teilzeitdienst macht, als eine eigene Praxis zu eröffnen.

In der Generation ihrer Eltern war es üblich, dass der Mann gut verdiente und die Frau zumindest eine Zeitlang bei den Kindern zu Hause blieb. Und viele gutverdienende Frauen bezahlten eine Kinderfrau, die den Alltag zu Hause meisterte, während sie sich voll in den Job warfen. Heute heißt gerade bei den tonangebenden jungen Bobos die Losung: Work-Life-Balance. Lieber weniger verdienen und das Familien- und Privatleben genießen.

Veränderung der Prioritäten

Liegt es auch an diesem Paradigmenwechsel, dass überall das Personal knapp wird und Fachkräfte dringend gesucht werden? Die Experten sehen dafür auch andere Gründe: das Ausbleiben von Arbeitskräften aus dem Ausland, die demografische Entwicklung, die Pandemie. Und natürlich gibt es eine große Zahl von Menschen, die sich einen freiwilligen Einkommensverzicht nicht leisten können, weil sie jeden Euro für die Ausgaben des täglichen Lebens brauchen. Hier freilich fragt man sich, warum in Österreich immer noch zahlreiche Asylwerber, die gerne arbeiten würden, nach wie vor vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Tatsache bleibt, dass es in der jungen Generation in den letzten Jahren eine Veränderung der Prioritäten gegeben hat. Große Autos und Shoppingtouren sind keine Statussymbole mehr. Viele gutausgebildete junge Väter widmen sich mit Begeisterung ihren kleinen Kindern, wechseln Windeln und kochen Babynahrung, Dinge, die für ihre eigenen Väter undenkbar gewesen wären. Und viele junge Singles gehen lieber auf Fernreise, als sich ihren Karrieren zu widmen.

Ein neues Biedermeier? Manche machen für diesen Trend auch das Verschwinden der großen Bewegungen verantwortlich. Wer sich hundertprozentig einer Sache verpflichtet weiß, sowohl der Revolutionär als auch der Mönch, hat keine Zeit für eine Familienidylle. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Die Arbeitgeber müssen sich jedenfalls darauf einstellen, dass die Leute nicht nur ordentliche Löhne haben wollen, sondern auch Zeit für ein gutes Leben außerhalb des Jobs. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 25.8.2022)