"Diesel-Liesel" (Petra Kleinert) wird von Marc-Uwe Kling (Dimitrij Schaad) und seinem Känguru ins Kreuzverhör genommen: Sie soll endlich den Verschwörungen abschwören.

Foto: Filmladen

Die sokratische Methode bei der Wahrheitsfindung besteht darin, dass man so lange blöde Fragen stellt, bis hinten etwas Gescheites herauskommt. Bisher hat sich noch kaum jemand darüber Gedanken gemacht, wie sich dieses Prinzip mit dem nicht verwandten und nicht verschwägerten Prinzip von Good Cop und Bad Cop verträgt.

KinoCheck

Es braucht eine stark psychedelische deutsche Komödie wie Die Känguru-Verschwörung, um das endlich einmal zu beleuchten. Also: Sokratisch beigekommen soll einer Frau namens Lisbeth Schlabodnik werden, die man gemeinhin als Klimaleugnerin bezeichnen könnte, obwohl das natürlich ein dämliches Wort ist. Für die Belange der Aufklärung, also einer kohlenstoffbewussten Lebens- und Denkweise, machen sich der Held der Geschichte, Marc-Uwe, und sein Känguru stark.

Fans der beiden wissen, dass es eine ziemlich eindeutige Rollenverteilung bei dem Duo gibt. Sie wissen aber auch, dass aufgrund dieser Rollenverteilung die Unterscheidung zwischen gescheiten und blöden Fragen ins Rutschen gerät. Und damit wird reichlich unklar, wer bei Diesel-Liesel (so der Künstlername der Gegenaufklärerin) den guten Cop geben soll und wer den bösen. Wer also mit welchem Nachdruck der Vernunft auf krummen Wegen zum Teilerfolg bei einer Wutbürgerin verhelfen soll.

Schluffis mit Känguru

Es ist dieses unklare Terrain, auf das der Bauchredner Marc-Uwe Kling immer schon wollte. Zuerst einmal nimmt er ja sein eigenes Milieu aufs Korn, also all die Schluffis, die im Leben nichts geregelt (und schon gar keine Traumfrau) kriegen und bei denen sich deswegen ein imaginärer Spezi breitmachen kann, eine Art Unter-Ich (das Es, von dem Freud im Unterschied zum Über-Ich sprach, ist da noch viel zu gemütlich). Das Beuteltier klopft bei Marc-Uwe so an die Wirklichkeit, wie es der abgehetzte Briefträger in neoliberalen Gesellschaften nicht mehr tut. Das Känguru stellt alles zu, auch das Unerwünschte und Nichtgeorderte.

Aus der ersten Verfilmung, Die Känguru-Chroniken (2020, Regie: Dani Levy), wissen wir, dass Marc-Uwe eine Nachbarin hat, die er ohne weiteres bei sich einziehen lassen würde. Maria Schlabodnik hat aber andere Pläne. Sie verführt Marc-Uwe zu einer Wette. Wenn es ihm (und dem Känguru) gelingt, aus Diesel-Liesel eine Frau mit Einsicht in die wahren Hintergründe der Erderwärmung zu machen, dann muss er seine Wohnung (groß, alter Mietvertrag) nicht mit ihr tauschen. Sie geht natürlich von einer Mission Impossible aus, hat aber die Rechnung ohne die Listen des Hausverstands gemacht, zu denen ein impertinentes Haustier seinen tollpatschig-aufsässigen Teil beiträgt.

Reichlich verworren

Marc-Uwe Kling hat dieses Mal nicht einfach eines seiner Bestsellerbücher zur Vorlage genommen. Er hat selbst Regie geführt und extra ein originales Drehbuch geschrieben, mit dem er sich so richtig über die Querdenkerszene der letzten Jahre lustig machen kann.

Dabei kommen ihm auch noch allerlei satirische Nebenobjekte in die Quere (zum Beispiel eine Hermannsschlacht im deutschen Wald, die gegenüber der realsatirischen Netflix-Serie Barbaren doch deutlich abstinkt), sodass die Sache mit der Bekehrung von Diesel-Liesel irgendwann so verfahren ist, dass ein Kernbegriff des deutschen Veräppelungskinos bemüht werden muss: "Die Gesamtsituation ist schwer zu erklären" (wir erinnern uns an den Marterpfahl des Manitu, wo jemand mit der Gesamtsituation "unzufrieden" war).

Situativ profitiert in der insgesamt doch reichlich verworrenen Känguru-Verschwörung fast immer ein Mann namens Joe, gespielt von Michael Ostrowski, an dem das deutsche Kino einen Narren als Sidekick gefressen hat, so oft taucht er neuerdings auf. Der österreichische Star spielt so etwas wie ein Känguru in Menschengestalt und kürzt alles Sokratische locker ab. (Bert Rebhandl, 25.8.2022)