Weder US-Präsident Joe Biden noch sein Außenminister Antony Blinken engagierten sich in den vergangenen 16 Monaten sichtbar persönlich für eine Wiederherstellung des Iran-Deals. Aber es wurde unbeirrt weiterverhandelt.

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Das Finale – wie immer die Sache ausgeht – ist erneut eine langwierige Angelegenheit. Wie es die seit April 2021 laufenden Verhandlungen zur Wiederherstellung des Wiener Atomabkommens mit dem Iran ja insgesamt waren. Es sah jedoch wie ein scharfer, die Sache beschleunigender Schnitt aus, als die EU-Koordinatoren der Gespräche Mitte August den Entwurf eines neuen JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action, so heißt das Abkommen offiziell) vorlegten, den sie als "final" bezeichneten.

Teheran antwortete am Tag einer inoffiziellen Deadline, vergangene Woche Montag. Aber dann ließ die US-Antwort auf sich warten. Dass das nicht nur eine mediale Wahrnehmung war, bestätigte eine Woche später der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell: Man habe schon vor ein paar Tagen damit gerechnet. Erst am Mittwochabend meldete Teheran schließlich, via EU eine Antwort aus Washington erhalten zu haben und sie nun im Detail zu evaluieren. Der Ball ist demnach wieder von den USA zum Iran gewandert.

Die iranische Stellungnahme zum EU-Entwurf hatte Borrell bereits zuvor als "vernünftig" bezeichnet. Was genau im Text steht, was der Iran dazu angemerkt hat und wie die USA dazu stehen – und wie nun der Iran darauf reagieren könnte: alles Spekulationen. Bei den Verhandlungen in Wien geht es um den Wiedereintritt der USA ins Abkommen, das Donald Trump im Mai 2018 verlassen hat, und darum, dass der Iran die strengen Regeln für sein Urananreicherungsprogramm wieder akzeptiert, die er seit 2019 in zunehmender Schwere – zuletzt sehr schwer – verletzte.

Der US-Regierung von Joe Biden schien jedenfalls der letzte Schritt schwerzufallen. Er läuft auf ein amerikanisches Ja oder Nein zum neuen JCPOA hinaus, wobei es sowohl von iranischer als auch von US-Seite um kleine Modifikationen am EU-Text ging.

Israels Bedenken

Nicht zufällig hält sich auch der israelische Nationale Sicherheitsberater Eyal Hulata diese Woche in Washington auf: Die US-Luftangriffe auf iranische Einrichtungen in Syrien am Dienstag sehen wie ein US-Statement aus, dass ein neuer Deal mit dem Iran die US-Sicherheitsverpflichtungen gegenüber Israel nicht beeinträchtigen wird. Israel befürchtet, dass der durch einen neuen JCPOA losgetretene Geldsegen für den Iran auch in dessen aggressive Regionalpolitik fließt. Seit die Iraner dem Assad-Regime in Syrien zu Hilfe geeilt sind, ist das Problem für Israel noch näher gerückt. Der Iran rüstet via Syrien auch die schiitische libanesische Hisbollah auf.

Aber Biden wollte gleichzeitig immer den Atomdeal mit dem Iran wiederherstellen, das war seine Politik von Anfang an. Die US-Regierung hat im Laufe der Verhandlungen eine bemerkenswerte Geduld und Leidensfähigkeit gezeigt: Zwar engagierten sich weder Präsident Biden noch sein Außenminister Antony Blinken in den vergangenen 16 Monaten sichtbar persönlich für eine Wiederherstellung des Abkommens. Aber es wurde unbeirrt weiterverhandelt, egal was links und rechts davon passierte.

Intern wurde diese Beharrlichkeit, aus dem der Wunsch nach einem Abschluss für manche gar zu deutlich abzulesen war, auch kritisiert. Es kam sogar zu Verwerfungen innerhalb des vom Iran-Sondergesandten Robert Malley geführten US-Verhandlungsteams. Da nützte es auch nichts, dass öffentlich immer wieder betont wurde, dass die Chancen prinzipiell gering seien und es den neuen JCPOA nicht um jeden Preis geben werde.

Für Biden, der beim Abschluss des ersten Wiener Deals im Sommer 2015 Vizepräsident Barack Obamas war, handelt es sich um einen wesentlichen Teil seiner Außenpolitik. Einen Erfolg hätte er vor allem nach dem katastrophalen Abzug aus Afghanistan vor einem Jahr, dem seine arabischen Verbündeten in der Region fassungslos zusahen – und ihre sicherheitspolitischen Schlüsse zogen –, bitter nötig.

Nukleare Nichtverbreitung

Biden und seine Berater sind aber auch fest davon überzeugt, dass das Abkommen, das im Tausch für Sanktionsaufhebungen das iranische Urananreicherungsprogramm unter Beschränkungen und strenge Kontrollen stellt, ein iranisches Abgleiten in ein Atomwaffenprogramm und somit eine iranische Atombombe verhindert hat und verhindern wird.

Es geht also in erster Linie um nukleare Non-Proliferation, also um die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Wie Obama hat Biden lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, die er für unerreichbar hält. Das wäre ein Abkommen, das Fragen wie das iranische Raketenprogramm und die iranische Politik im Nahen Osten inkludiert und kein Ablaufdatum hätte.

Trump hatte keinen Plan

Trump hatte das bei seinem Austritt 2018 versprochen, das Gegenteil ist passiert. Auch die vorhandenen Vorteile des Wiener Abkommens von 2015 zerbröselten. Der Iran war noch nie so nah an der Schwelle, genügend Material für eine Atombombe zu besitzen, wie heute. Das ist eine Folge von Trumps Maßnahmen, die Umsetzung des Deals auch für andere zu verhindern, was für Teheran, das nicht mehr wirtschaftlich davon profitierte, die Einhaltung sinnlos machte. Trump hatte die – teilweise legitime – Kritik der JCPOA-Gegner am Deal aufgegriffen, aber er hatte keinerlei Strategie, um eine andere Lösung zu finden.

Biden erhofft sich vom neuen JCPOA demnach in erster Linie den Stopp der nuklearen Entgleisung des Iran, die im schlimmsten Fall zum Austritt Irans aus dem Atomwaffensperrvertrag führen könnte. Wenn es den Verdacht auf ein neues iranisches militärisches Atomprogramm gäbe, dann würden wohl Staaten wie Saudi-Arabien oder Ägypten in einen nuklearen Rüstungswettlauf einsteigen – und der Nahe Osten würde für die USA weiter der strategische Klotz am Bein in ihrer Auseinandersetzung mit China bleiben, als den sie ihn zunehmend empfinden.

Ein neuer Atomdeal sollte hingegen auch die regionalen Spannungen zwischen Iran und den arabischen Staaten mindern, hoffen die US-Strategen. Das könnte bei der Lösung etlicher politischer als auch militärischer Konflikte helfen, vom Libanon über Syrien, den Irak bis zum Jemen.

Dass die arabischen Nachbarn Irans am Persischen Golf, so sehr sie sie über die "schwachen" USA frustriert sind, auf diplomatische Lösungen setzen, zeigt etwa die Tatsache, dass die Vereinigten Arabischen Emirate – die im Herbst 2020 ihre Beziehungen zu Israel normalisierten – soeben wieder einen Botschafter nach Teheran entsandt haben. Oman und Katar versuchten zuletzt aktiv zwischen den USA und dem Iran, die ja bisher keine direkten Gespräche geführt haben, zu vermitteln. Die Region will keinen neuen Krieg, auch keinen, um das iranische Atomprogramm zu stoppen. (Gudrun Harrer, 24.8.2022)