Zwei Jahre hat Klaus (Name geändert) an seinem Motorrad gearbeitet, und ganz fertig ist er immer noch nicht. Er entfernte Teile von seinem Motorrad, die er nicht braucht. Blinker hat sein Chopper keine. Und man könnte annehmen, dass er auch keinen Auspuff montiert habe, so laut ist die Maschine mit dem hochgezogenen Lenker – einen Achselföhn nennen das die Gebückten, also die Supersportfahrer, gerne. Klaus ist das nur recht.

Laute Motorräder und solche, die in Rudeln auftreten, nerven Anrainer entlang der schönsten Motorradstrecken. Die einen suchen die Freiheit, die anderen die Ruhe.
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"Lkws sind auch laut. Wem es nicht gefällt, der soll weghören." Legal ist sein Gefährt nicht. Dennoch hat er ein gültiges Pickerl. Wie er das macht, dass er seine Maschine durch die jährlich fällige Überprüfung bringt, will er nicht erzählen. Und die Strafen, die er schon bezahlen musste, stören ihn nicht. "So oft halten sie mich nicht auf", sagt er.

Imageschaden

Es sind Menschen wie Klaus, die das Image der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer beschädigen. Und es sind Rudel von Motorradfahrern, die auf den immer gleichen Strecken an Wochenenden und Feiertagen unterwegs sind. Die schönsten Motorradstrecken sind halt auch blöderweise dort, wo sich Menschen niedergelassen haben, um Ruhe zu finden. Dieser Zielkonflikt hat bereits Folgen.

In vielen Gemeinden, wie sie etwa im Burgenland rund um den Neusiedler See zu finden sind, gibt es Nachtfahrverbote für Motorräder. Andernorts existieren eigene Geschwindigkeitsbeschränkungen für Einspurige. In Tirol ging man noch weiter.

Im Außerfern gibt es im Sommer ein Fahrverbot für Motorräder mit einem Standgeräusch mit mehr als 95 dB(A).
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Auf Teilstrecken in den Bezirken Reutte und Imst gilt seit 2020, von 10. Juni bis 31. Oktober, ein Fahrverbot für Motorräder mit einem Standgeräusch, das lauter als 95 dB(A) ist. Eingeführt wurde das Fahrverbot nach einer Verkehrszählung und der "Motorradlärmstudie Außerfern 2019". Bei Letzterer gaben rund zwei Drittel der Befragten an, dass sich "Verkehrslärm stark oder sehr stark negativ auf die Gesundheit auswirkt". Dabei wurde die Belästigung durch Motorradlärm als am stärksten angegeben.

Zudem habe die Belästigung in den Jahren vor 2019 zugenommen, was auch durch die Verkehrszählung bestätigt wurde. Seit Sommer 2020 habe sich die Situation im Außerfern deutlich verbessert, gibt eine Folgestudie an. Und dennoch – freilich erwartbar – ist der Dachverband der österreichischen Zweiradimporteure und Zweiradindustrie, die Arge 2Rad, gegen dieses Verbot.

Stand- und Fahrgeräusch

Das Standgeräusch diene nämlich nur dem Zweck, dass die Polizei einfach überprüfen könne, ob die Abgasanlage eines Motorrades in Ordnung sei. Mit dem Fahrgeräusch habe das Standgeräusch nichts zu tun. Das Fahrgeräusch ist nämlich nur schwer gültig zu messen. Es dürfen keine schallreflektierenden Flächen in der Umgebung sein, und die Windgeschwindigkeit darf nicht mehr als fünf Meter pro Sekunde betragen. Gemessen werden Geschwindigkeiten zwischen 20 und 80 km/h, im zweiten bis vierten Gang, bei vollständig geöffnetem Gasgriff, und das Messmikrofon muss nach einem komplizierten Plan aufgestellt werden. Sogar die Umgebungstemperatur muss passen. Aber im Grunde ist das auch egal. Denn ein Motorrad darf in einer solchen Messung ohnedies nur ein Fahrgeräusch von maximal 77 dB(A) haben – ganz egal, wie laut das Standgeräusch ist.

Karin Munk, Generalsekretärin der Arge 2Rad, ist für strenge Kontrollen von Motorrädern, die umgebaut wurden um lauter zu sein.
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Als Rechtfertigung für ihre Forderung, das Fahrverbot im Außerfern zu beenden – und neue Begehrlichkeiten nicht aufkommen zu lassen –, legt die Arge 2Rad folgende Daten vor: Eine Ducati Multistrada V4S hat ein Standgeräusch von 92 dB(A) und ein Fahrgeräusch von 77 dB(A). Sie dürfte also im Außerfern fahren. Die supersportliche Schwester Tuono Superleggera hat ein Standgeräusch von 108 dB(A) und ebenfalls ein Fahrgeräusch von 77 dB(A), sie dürfte also im Außerfern nicht mehr fahren.

Dieses und weitere Beispiele "zeigen doch ganz eindeutig, dass das Standgeräusch keinen Rückschluss auf das Fahrgeräusch zulässt, das ja letztendlich das Kriterium der Lärmbelastung für Anrainer darstellt", sagt Karin Munk, Generalsekretärin der Arge 2Rad. Sie spricht sich klar gegen Umbauten von Motorrädern aus, die diese lauter machen, und fordert "massive Kontrollen des Verbotes von illegalen Anbauten durch die Exekutive". Doch ein paar Haken hat die aktuelle Messlatte des Fahrgeräusches.

Bewerter Schalldruck

So gibt die Angabe dB(A) nicht den tatsächlichen Schalldruck dB an, sondern bei der Messung des "bewerteten Schalldrucks" wird auch das Frequenzspektrum in Bezug auf die menschliche Wahrnehmung bewertet, und es gibt eine bestimmte Distanz zur Schallquelle. Doch damit nicht genug, wie Roland Berger, zuständig für die europäische Produktentwicklung bei Honda erklärt: "Aktuell muss der Hersteller nur angeben, dass er die vorgegebenen Werte einhält, eine Messung muss er nicht vorlegen." Doch eine neue internationale Regelung ist in Ausarbeitung und dürfte für Typisierungen von Motorrädern ab September 2023 und alle Neuzulassungen ab 2024 gelten.

Roland Berger ist bei Honda für die Produktentwicklung in Europa zuständig und kennt auch die Konkurrenz sehr genau.
Foto: Roland Berger

"Ab dann muss nicht nur eine Messung vorgelegt werden, auch die Kriterien werden sich ändern", erklärt Roland Berger.

Gemessen wird dann bei Geschwindigkeiten zwischen zehn und 100 km/h, in allen Gängen, bei vollständig und teilweise geöffneter Gasstellung und auch in der Verzögerungsphase mit möglichen Fehlzündungen und weiteren Verschärfungen. Damit werden, ist Roland Berger überzeugt, die Kriterien so ausgeweitet, dass unterm Strich alle Motorräder leiser werden. Doch das wird nicht das Ende des oft so gehassten Klappenauspuffs bedeuten.

Klappen dienen dann aber nicht dazu, das Auspuffgeräusch des Motorrades lauter zu machen. Berger: "Als Motorradhersteller hat man drei Probleme: Man muss die Lärmbestimmungen einhalten, die Abgasgrenzwerte schaffen – keiner will ein neues Dieselgate – und den Verbrauch und damit den CO2-Ausstoß im Griff haben." Dazu werde es auch Klappen im Abgasstrang brauchen. Vor allem wenn man ein weiteres Problem im Blick hat.

Zielkonflikte beim Motorenbau

Motorradbauer müssen den Fahrerinnen und Fahrern in dem Drehzahlbereich, in dem sie am häufigsten unterwegs sind, viel Drehmoment bieten. Das geht auf Kosten der Spitzenleistung. Kunden schielen aber auch auf die Leistung eines Motorrades. Auch diesen Spagat können Klappen einfacher machen.

Viel leiser könne man Motorräder aber kaum noch machen, ist Roland Berger überzeugt. Denn: "Lautstärke kommt ja nicht nur aus dem Auspuff, sondern auch von den Reifen, dem offenen Kettenantrieb, und sogar ob ein Motor Kühlrippen hat oder hinter einer Verkleidung steckt, macht einen Unterschied." Nicht einmal E-Motorräder seien viel leiser als 72 dB(A), man nehme sie wegen der anderen Frequenzen nur anders wahr.

Keine Auspuff-Manipulationen mehr

Schwieriger werden aber Manipulationen am Auspuff. "Dort wird bei einigen Herstellern in künftigen Motorrädern der Staudruck gemessen", erklärt Berger. Passt der wegen eines anderen Endtopfs nicht mehr, wechselt das Steuersystem des Motorrads in den Notmodus.

Nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung soll es ab 2035 ja überhaupt keine neuen Motorräder mit Verbrennungsmotor mehr geben. So oder so bleibt Lärmbastlern wie Klaus dann nur mehr, alte Motorräder umzubauen, die keine neue, moderne Steuerung haben. (Guido Gluschitsch, 25.8.2022)