Flüge mit Privatjets emittieren pro Kopf wesentlich mehr CO2 als kommerzielle Linienflüge. Deshalb soll deren Verwendung in Frankreich künftig eingeschränkt werden.

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Die brandneuen Twitter-Konten heißen "I Fly Bernard" oder "L’avion de Bernard" und werden von Zehntausenden verfolgt. Ihr unfreiwilliger Star ist Bernard Arnault, Gründer und Vorsteher des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH (Louis Vuitton, Kenzo, Dior oder Tiffany). Denn diese Internetadressen betätigen sich nach amerikanischem Vorbild als Flight-Trackers: Sie suchen die Flugbewegungen von Arnaults Privatjet und mittlerweile auch von anderen französischen Unternehmern aufzuspüren.

Das Ziel der Betreiber dieser Konten ist es, den CO2-Verbrauch der Düsenmaschinen namens Falcon oder Global Express (Listenpreis 40 Millionen Dollar) anzuprangern. Arnaults Jet soll zum Beispiel im Monat Mai auf 18 Flügen 176 Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen haben. Das wäre etwa so viel CO2, wie durchschnittliche EU-Bürger in knapp zwanzig Jahren verbrauchen. Die Flüge führten etwa von Paris über Nizza nach Palermo; ein anderer dauerte nur zehn Minuten von West- nach Ostlondon.

Hohe CO2-Emissionen

Zwischen Paris und Brüssel flog die Maschine seit 2020 fünfzehn Mal. Dabei zirkuliert auf dieser Strecke ein blitzschneller und bequemer TGV in 80 Minuten. Generell stößt die Eisenbahn pro Passagier 50-mal weniger CO2 aus als ein Privatjet. Selbst ein Linienflug belastet das Klima pro Kopf zehnmal weniger als ein kleiner Businessflieger.

Diese Zahlen entnehmen die Twitter-Konten offiziellen Angaben der französischen "Aviation civile" (Zivilluftfahrt) und der privaten europäischen Umweltorganisation "Transport & Environment". Sie treten damit auch dem Vorwurf entgegen, sie missachteten die Privatsphäre der Jeteigentümer. "Wir folgen dem Flugzeug, nicht Bernard", wird auf einem der Konten festgehalten.

Auf einem anderen Konto werden aber auch Flugnummern von Jets anderer Industrieller wie Martin Bouygues oder Vincent Bolloré publiziert und die Sympathisanten dazu aufgerufen, weitere öffentlich zugängliche Angaben mitzuteilen.

Rechtlich auf dünnem Eis

Der Digitaljurist Guillaume Champeau warnt die Twitter-Seitenbetreiber vor Rechtsfolgen: "Nur weil man über Privatdaten verfügt, gibt einem das noch nicht das Recht, sie weiterzuverbreiten." In den USA haben Rapper wie Drake oder die Influencerin Kylie Jenner die Löschung solcher Flight-Trackers verlangt; der Unternehmer Elon Musk hat "seinem" Verfolger dafür dem Vernehmen nach 5.000 Dollar geboten.

In Frankreich läuft die Debatte anders – nämlich politisch. Grünen-Chef Julien Bayou erklärte, es sei "an der Zeit, Privatjets zu unterbinden". Im Herbst werde er in der Nationalversammlung in Paris einen entsprechenden Vorstoß einbringen. Auch Manon Aubry von der Linkspartei der Insoumis (der Unbeugsamen) twitterte: "Natürlich müssen wir die Privatjets verbieten. Wir haben einen Sommer des Klimachaos mit Dürre, Waldbränden und Überschwemmungen. Allen Franzosen werden Anstrengungen abverlangt – doch eine Minderheit von Ultrareichen soll weiterhin straflos verschmutzen dürfen?"

"Populistische" Neiddebatte

Eine Aktivistin aus dem Umfeld der gleichen Partei, Rym Khadhraoui, geht noch weiter und ätzt sarkastisch: "Das Privatjet-Verbot schockiert viele, dabei ist es doch ein guter Kompromiss zur Guillotine!" Aus den Internetforen kommt das Echo, die Attacken auf die "Milliardäre" und "Superreichen" seien "populistisch" und schüre eine Neiddebatte. Der Unbeugsamen-Chef Jean-Luc Mélenchon habe offenbar auch keine Flugskrupel, nachdem er sich im Juli auf einer Südamerikatournee gebrüstet habe, er fliege nur Business-Class.

In die hitzige Debatte schalten sich nun auch die zuständigen Vertreter der französischen Regierung ein. Transportminister Clément Beaune erklärte, alle Bürger müssten proportionale Anstrengungen erbringen, und fügte an: "Ich denke, wir müssen handeln und die Privatjet-Flüge regulieren."

Europäische Regeln

Mitarbeiter präzisieren, am wirksamsten sei zweifellos ein neues Regelwerk auf europäischer Ebene. Es gehe nicht um ein Verbot der Geschäftsflugzeuge; denkbar seien aber Selbstbeschränkungen oder neue Abgaben auf solche Flüge.

Auch Regierungssprecher Olivier Véran lädt die europäischen Transportminister ein, sich bei ihrer nächsten Tagung im Oktober des Themas anzunehmen. Er gab zu bedenken, dass viele Privatjet-Flüge dank ihrer "großen Reaktivität" immerhin eine wichtige Funktion erfüllten.

Das Twitter-Konto "I Fly Bernard" kontert mit einem Privatjet-Hüpfer der französischen Konzerngründerfamilie Pinault zwischen den Karibikinseln Martinique und Saint-Vincent – wohl kaum ein Geschäftsflug. Der Jet der Hauptzielscheibe Bernard Arnault verzeichnete jedoch diesen Sommer keine Bewegung. (Stefan Brändle aus Paris, 25.8.2022)