Der Glasfaserausbau wird nun auch in ländlichen Regionen interessant. Es geht um ein Milliardengeschäft.

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Auf einmal ging alles ganz schnell, als hätte man eine Handvoll Futter in einen Fischteich geworfen. Was vorher eine glatte und ruhige Wasseroberfläche war, kocht plötzlich vor Aktivität, und jeder will natürlich auch das größte Stück vom Futter – und da sind einige wirklich dicke Fische dabei.

Die Rede ist vom österreichischen Glasfaserausbau. Wer den Markt in den vergangenen Monaten ein wenig beobachtet hat, kann sich eigentlich nur wundern, wie schnell plötzlich Bewegung in die Telekommunikationsbranche gekommen ist. Von einigen regionalen Aktionen in Tirol und Niederösterreich einmal abgesehen, schien die Investition in Glasfasernetze wenig verlockend, und dementsprechend schleppend ging deren Ausbau voran. Doch seit dem Beginn des Sommers 2022 kommen die dicken Fische an die Oberfläche, Konkurrenten kooperieren plötzlich, und Netzbetreiber sowie Investoren werfen schlagartig mit Milliarden um sich. Geld spielt auf einmal keine Rolle mehr.

Mindestens sechs Milliarden Euro Investition

So investiert A1 in den kommenden fünf Jahren drei Milliarden Euro in den Glasfaserausbau, Magenta nimmt mithilfe des französischen Infrastruktur-Investors Meridiam zwei Milliarden Euro in den Ausbau gigabitfähiger Netze in die Hand, wobei eine Milliarde direkt in die Glasfaserinfrastruktur geht. Die Allianz-Tochter österreichische Glasfaserinfrastrukturgesellschaft (öGIG) wird in drei Jahren 929 Millionen Euro investieren, während Speedconnect mit dem Investor Infracapital eine knappe Milliarde Euro für den Glasfaserausbau in die Hand nehmen wird. Das macht in Summe mindestens sechs Milliarden Euro, und das ist die konservative Schätzung, denn da sind Projekte wie jene von regionalen Energieanbietern wie der Wien Energie oder Gemeinden im Westen Österreichs noch gar nicht mit eingerechnet.

Auch Wien Energie hält an Ausbauplänen fest

Der in schwere finanzielle Turbulenzen geratene Wiener Energieversorger betont auf Nachfrage des STANDARD, dass man trotz der schwierigen finanziellen Situation nicht vom geplanten Glasfaserausbau für 100.000 Haushalte in Wien abrücken werde. "Es geht in der aktuellen Diskussion ausschließlich um Sicherheitskautionen für den Energiehandel auf den europäischen Märkten, die zurzeit verrückt spielen und diese Garantieleistungen hochtreiben. Es gibt aktuell keine Grundlage dafür, grundsätzliche Unternehmensstrategien zu verändern oder Investitionen zu stoppen", teilte das Unternehmen auf Nachfrage mit.

Die Gründe für den plötzlichen Motivationsschub

Doch woher kommt die plötzliche Motivation, die Bagger vom Neusiedler bis zum Bodensee anzuwerfen? Ein Grund ist die Technik. Jahrelang war man der Meinung, man könne strukturschwache Gegenden mit mobilem Internet-Netz versorgen und sich das aufwendige Graben und Verlegen von Leitungen ersparen. Dann kam die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns. Massen von Angestellten arbeiteten plötzlich von zu Hause aus, und mit einem Schlag war klar: 4G und 5G reichen nicht.

Die Nachfrage nach symmetrischen, also gleich schnellen Up- und Downloads war plötzlich da. In der Branche herrscht Einigkeit, dass mobiles Internet nur eine Brückentechnologie ist. Mobile Netze werden weiterhin wichtig sein, aber in der Versorgung von Haushalten mit gigabitschnellem Internet werden sie in Zukunft keine Rolle mehr spielen. Dazu kommt, dass der Bandbreitenbedarf von Herrn und Frau Österreicher kontinuierlich steigt. Etwa alle zwei Jahre um 50 Prozent, wie A1-CEO Marcus Grausam jüngst erklärte.

Opfer des eigenen Erfolgs

Doch warum ist so lange nichts weitergegangen? Österreich war (so wie Deutschland) ein Opfer des eigenen Erfolgs. Die Kupfernetze hierzulande waren in einem hervorragenden Zustand und verrichteten jahrzehntelang zuverlässig ihren Dienst. Als die Technik nicht mehr ausreichte, war man mit deren Austausch zurückhaltend. Was auch verständlich ist, niemand ersetzt gerne eine eigentlich gute Infrastruktur. "Das ist genau der Grund, warum Portugal plötzlich beim Breitbandausbau davonzieht. Dort war das Kupfernetz einfach nicht besonders gut ausgebaut", erklärt öGIG-Chef Hartwig Tauber im Gespräch mit dem STANDARD.

Förderung ist mehrfach überzeichnet

Der Bund und die Europäische Union nehmen jetzt ebenfalls große Summen zum Ausbau in die Hand. 1,4 Milliarden Euro pumpt die öffentliche Hand bis 2026 im Rahmen der zweiten Breitbandmilliarde in den Glasfaserausbau. 891 Millionen Euro stammen dabei aus dem Recovery-Fonds der Europäischen Union. Wie DER STANDARD aus Branchenkreisen erfuhr, dürfte der erste Fördercall um ein Vielfaches überzeichnet sein. Das heißt, die Netzbetreiber haben mehr Projekte eingereicht, als Förderung zur Verfügung steht. Dem Vernehmen nach dürften einzelne Netzbetreiber mehrere Hundert Ausbauprojekte mit Investitionen weit über der Fördersumme von 660 Millionen Euro eingereicht haben.

Genau in die Karten wollte sich aber keiner der der großen Fische schauen lassen. Während Magenta erst gar nicht um Förderungen ansucht, lehnt man bei A1 eine weitere Auskunft zu den Details höflich ab. Nur so viel: Auch bei A1 rechnet man mit einem hohen Wettbewerb um die Fördergelder.

Ein weiterer Grund für die plötzliche Geldschwemme: Österreich ist durch den jahrelangen Dornröschenschlaf, was Glasfasernetze betrifft, plötzlich für ausländische Investoren interessant geworden. In Ländern wie Spanien, Lettland oder Portugal herrscht beinahe Glasfaservollausbau – da ist für Infrastrukturinvestoren nichts mehr zu holen. Schlusslichter wie Österreich, Serbien oder Griechenland versprechen da deutlich leichter verdientes Geld.

Das birgt natürlich die Gefahr, dass Infrastrukturinvestoren die Netze schnell und günstig ausbauen um sie anschließend gewinnbringend an den Bestbieter weiterverkaufen. Bedenken, die man bei den Investoren der Allianz (öGIG), Meridiam (Magenta) und Infracapital (Speedconnect) versucht zu zerstreuen. Alle drei Geldgeber versichern, dass ihr Engagement am österreichischen Glasfasermarkt langfristig angelegt sei und kein Interesse bestehe, die Netze nur auszubauen, um sie schnell wieder zu veräußern. Tatsächlich müsse man beim Glasfaserausbau auf Jahrzehnte planen, um die Investitionskosten wieder hereinzuspielen.

Hat das Warten nun ein Ende?

Diese nie dagewesene Bewegung am Markt bringt für viele potenzielle Kundinnen und Kunden voraussichtlich ein Ende des Wartens auf schnelles Internet – aber eben nicht für alle. Zuerst dürften wohl die Menschen in regionalen Zentren profitieren. So hat etwa A1 jüngst erklärt, dass deren Fokus auf den Bezirkshauptstädten liegen wird. Die Netzerrichter bei der öGIG und Speedconnect gehen anders an die Sache heran und wollen gezielt im ländlichen Raum tätig werden. Bei der öGIG geht man sogar so weit, dass man die Errichtung von Glasfasernetzen in größeren Städten kategorisch ausschließt.

Dabei bleibt auch immer die Frage offen, was die Netzerrichter unter "ländlichen" Regionen verstehen und ob Städte wie Vöcklabruck, Gänserndorf oder Kufstein tatsächlich noch als rurale Gegenden gelten können. Ein Umstand, der in der Vergangenheit oft dazu führte, dass sich große Anbieter die Filetstückerln wie die Hauptplätze lokaler Ballungszentren herausgepickt haben– die Siedlung am Ortsrand wurde aber nicht mit Glasfaser versorgt. Eine Praxis, die laut Speedconnect-CEO Joachim Otte der Vergangenheit angehören sollte: "Sich auf die Rosinen zu konzentrieren ist ein Fehler." Der Ausbau scheinbar lukrativer Straßenzüge schade letztendlich dem Standort und führe zu einer digitalen Zwei-Klassen-Gesellschaft. "Das ist auch eine Frage der Gleichberechtigung, jeder muss Zugang zu guter digitaler Infrastruktur haben", sagt Alexandra Reich, Aufsichtsratsvorsitzende von Speedconnect, im Gespräch mit dem STANDARD.

70 Prozent der Haushalte bis Ende 2027 realistisch

Immerhin scheint nun der Glasfaserausbau in ländlichen Gebieten möglich. Wobei man auch hier erwähnen muss: Einen Vollausbau mit einer einhundertprozentigen Anschlussquote wird es nicht geben, weil es immer Haushalte geben wird, die kein Glasfaser wollen oder sich nicht leisten können. Darüber hinaus werden Höfe in Extremlagen auch in naher Zukunft mit mobilem Internet auskommen müssen. Aber: "Ein vernünftiger Ausbau mit 70 Prozent aller Haushalte in Österreich im Glasfasernetz ist in vier bis fünf Jahren denkbar. In Randlagen wird es wohl bis 2030 dauern", so ein Brancheninsider gegenüber dem STANDARD. Eines ist laut dem Insider aber fix: "Dass man alle zwei bis drei Jahre an seinem Internetanschluss herumwursteln muss, das ist bald vorbei." (Peter Zellinger, 31.8.2022)