Der neunjährige Samay schwelgt in der üppigen Pracht Indiens: eine Filmillusion aus Ton, Licht und Farbe.

Foto: Stadtkino Filmverleih

An einem Bahnhof in Indien lebt der neunjährige Samay mit seiner Familie. Wenn ein Zug hält, verkauft er Tee. Das ist das Geschäft, das seinem Vater geblieben ist, einem Mann aus der Kaste der Brahmanen. Samay geht gern ins Kino, aber das "ziemt sich nicht", bekommt er zu hören. Nur ein religiöser Film kommt infrage, im Galaxy-Kino in der nächstgelegenen Stadt aber laufen Attraktionen wie Der Gangster. Samay findet einen Weg, wie er das väterliche Verbot umgehen kann. Er freundet sich mit Fazal an, dem Vorführer im Galaxy. Im Tausch gegen die köstlichen Essenspakete seiner Mutter darf Samay nun aus der Kabine zuschauen, wie all die Schätze des indischen Kinos laufen. Er himmelt die Stars an, singt die Lieder mit, und irgendwann beginnt er, auch selbst davon zu träumen, "das Licht zu studieren". Damit beginnt für ihn die Kunst des Kinos – mit Farbscherben, in denen sich etwas reflektiert.

Stadtkino Filmverleih

Der indische Regisseur Pan Nalin erzählt in Das Licht, aus dem die Träume sind eine Kindheit im Zeichen des Kinos. Das bedeutet konkret: Geschichten kommen aus dem Material, es gibt sie nicht ohne das Zelluloid, das in großen Dosen mit der Bahn geliefert wird. Das Kino entdeckt Samay mit seinen Freunden als ein Medium, das man sich erarbeiten muss. Sie stehlen eine Filmdose, improvisieren einen Projektor, in einem "Geisterdorf" organisieren sie heimliche Vorführungen, bei denen die Kinder zu stummen Bildern einen Soundtrack improvisieren. Mit jeder Faser hält DasLicht, aus dem die Träume sind am Paradies fest, das nie eines war, das Nalin aber heraufbeschwört.

Ehrgeiziger Wurf

Er bietet alle Schauwerte auf, die das indische Kino längst auch für ein westliches Publikum so attraktiv machen. "Die Zukunft gehört den Erzählern von Geschichten", sagt Fazal einmal zu Samay, und man kann diesen Satz auch getrost umkehren. Denn Pan Nalin macht deutlich, dass auch die Vergangenheit eher den Erzählern gehört, die davon ein verklärtes Bild zeichnen. In Sachen Kinomythologie ist Das Licht, aus dem die Träume sind ein ehrgeiziger Wurf: Von Stanley Kubrick bis Andrei Tarkowski werden schließlich alle eingemeindet. Und doch ist Pan Nalins Vision ein bisschen zu deutlich auf Effekt hingetrimmt, um sich wirklich dem einfachen Strahlen des Lichts zu überlassen. Kein Wunder, dass die Pointe schließlich auf eine Art Plastikreinkarnation hinausläuft. (Bert Rebhandl, 26.8.2022)