Eine Wandmalerei am Gebäudekomplex der ehemaligen US-amerikanischen Botschaft in Teheran. Können Erzfeinde ein Abkommen schließen?

Foto: Reuters / Wana / Majid Asgaripour

Der Ball ist wieder bei den Iranern: Die USA haben am Mittwochabend ihre Stellungnahme im Atomdealfinale – ob Durchbruch oder Zusammenbruch, steht aus – übermittelt. Die seit Tagen erwarteten Antworten aus Washington bezogen sich auf eine Stellungnahme, die Teheran am Montag vergangener Woche gegenüber dem Koordinator der Wiener Gespräche, der EU, abgegeben hatte.

Auch Washington richtete sich an Brüssel, von dort wurde die US-Reaktion an Teheran weitergeleitet. Nun rauchen dort die Köpfe. "Die EU", das ist im konkreten Fall der Vizegeneralsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Enrique Mora, der für den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell agiert.

In Wien ist als EU-Botschafter bei den Internationalen Organisationen und Verhandler aber auch ein Österreicher am Werk, der den Nuklearfall Iran besser kennt und versteht als jeder andere "Externe": Stephan Klement, nicht nur spezialisierter Jurist, sondern auch promovierter Physiker – und offenbar versehen mit dem Gemüt eines buddhistischen Mönches.

Die aktuellen Verhandlungen laufen seit 16 Monaten. Für das erste Wiener Abkommen von 2015, an dem Klement ebenfalls schon beteiligt war, brauchte es gut eineinhalb Jahre. Der Streit um das iranische Urananreicherungsprogramm läuft, seit es – noch bevor die Iraner mit der Anreicherung begonnen hatten – 2003 von einer iranischen Oppositionsgruppe aufgedeckt wurde.

An Schrauben drehen

Nun wartet also alles wieder auf Teheran. Die EU hatte Mitte August den Entwurf eines Textes vorgelegt, den sie als "final" bezeichnete. Es kann nur noch an einzelnen Schrauben gedreht werden – was Teheran offenbar versuchte: Aber Borrell bezeichnete am Montag die iranische Antwort immerhin als "vernünftig".

Glaubt man den Gerüchten – gesehen haben Medien die Texte und Stellungnahmen nicht –, so ist die Antwort der USA eher negativ ausgefallen. Sie liege "unter den Erwartungen Teherans", zitiert Politico einen Insider. Der Iran steht damit nun wohl endgültig vor der "Nehmen oder lassen"-Entscheidung.

Bei den Verhandlungen ab April 2021 in Wien ging es darum, dass die 2018 unter Präsident Donald Trump ausgetretenen USA wieder ins Abkommen zurückkehren und dass sich der Iran wieder an die 2015 bereits akzeptierten Beschränkungen und Kontrollen seines Urananreicherungprogramms hält.

Dafür würden jene Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder fallen – wie es bereits nach 2015 geschah –, die im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängt wurden. Andere nicht: Und damit hat sich Teheran, das zu Beginn der Verhandlungen die Aufhebung aller forderte, bereits abgefunden.

Gespräche nur über Vermittler

Bemerkenswert ist, dass die Verhandlungen von einer iranischen Regierung geführt wurde, die den Atomdeal von 2015 stets in Grund und Boden verdammte. Als Ebrahim Raisi im Sommer 2021 zum Präsidenten gewählt wurde, hatte das auch eine längere Verhandlungspause in Wien zur Folge. Bei den Verhandlungen saßen sich USA und Iran nie direkt gegenüber, sondern sprachen immer über Vermittler.

Über die genauen Mechanismen zur Sanktionsaufhebung im neuen Text sind keine Details bekannt, etwa den iranischen Bankensektor betreffend, der ja vom Swift-System ausgeschlossen wurde. Der österreichische Iran-Experte Walter Posch hält die Swift-Frage für quasi unlösbar, wie er auf Twitter festhielt. Den Diskurs dominierten zuletzt jedoch andere mögliche Knackpunkte.

  • Revolutionsgarden Donald Trump hatte erst 2019 die Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) auf die FTO-Liste setzen lassen: Als "Foreign Terrorist Organisation" wird man weitreichend sanktioniert. Anders als Teheran zuerst forderte, waren die USA nicht bereit, die Garden von der Liste zu nehmen. Auch damit scheinen sich die Iraner abgefunden zu haben. Da die IRGC aber stark in der iranischen Wirtschaft mitmischen, ging es darum, einen Weg zu finden, dass dennoch Geschäfte gemacht werden können.

  • Garantien Der Zusammenbruch des "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA; so heißt das Abkommen offiziell) wurde durch den Austritt der USA herbeigeführt. Teheran wollte Garantien, dass das nicht wieder geschieht. Die kann ein US-Präsident schlicht nicht geben. Stattdessen sollte gesichert werden, dass, falls es wieder passiert, die Geschäfte weiterlaufen können. Absicherungen gibt es offenbar auch insofern, dass der Iran seine neuen Anreicherungszentrifugen – die er laut JCPOA noch nicht verwenden dürfte – nicht zerstören, sondern "einmotten" darf. Laut Experten lässt sich so eine Zentrifuge aber nicht so einfach wieder auspacken und in Betrieb nehmen, das ist technisch sehr schwierig.

  • Probleme mit der IAEA Der Iran bleibt offenbar dabei, dass der "Re-Implementation Day" (Wiederumsetzungstag des JCPOA) nach der Vorbereitungsphase – die Monate dauern würde – nur stattfinden kann, wenn bis dahin sein Akt in der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) geschlossen ist. Das wird jedoch nur geschehen, wenn der Iran schlüssige Erklärungen für an mehreren Orten gefundene Uranspuren liefert. Das heißt: Dieser Punkt kann auch bei einem jetzigen Durchbruch in den nächsten Monaten den neuen JCPOA noch zu Fall bringen. (Gudrun Harrer, 26.8.2022)