Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner leidet unter der bundesweit schlechten Stimmung für die ÖVP.

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St. Pölten/Linz – Wenn stimmt, was die Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft aus den Umfragewellen der vergangenen Wochen für die im Winter anstehende niederösterreichische Landtagswahl errechnet hat, droht der Volkspartei ein massiver Absturz: Hatte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner im Jahr 2018 noch 49,63 Prozent erreicht, so würde derzeit das Ergebnis nur 32 Prozent lauten. Diese Hochrechnung hat "Österreich" am Freitag veröffentlicht.

Profitieren würden laut dieser Umfrage sowohl die FPÖ (plus sechs Prozentpunkte) als auch die SPÖ (plus fünf) und die Neos (plus vier). Die Corona-Maßnahmen-Kritiker von der MFG kommen in der Berechnung der Lazarsfeld-Gesellschaft auf vier Prozent, was die Sache zusätzlich spannend macht, weil man in Niederösterreich mindestens vier Prozent der Stimmen oder ein Grundmandat braucht, um in den Landtag zu kommen.

Schlechte Stimmung für die ÖVP

Werner Beutelmeyer, Präsident der Lazarsfeld-Gesellschaft, erklärt dem STANDARD: "Man sieht sehr deutlich, dass die ÖVP bundesweit verliert – und das färbt auch auf die Bundesländer ab. Dort haben traditionell die Landeshauptleute starken Einfluss auf das Wahlverhalten – aber genau das sehen wir derzeit nicht, weil die generell schlechte Stimmung in Österreich alles andere überstrahlt. 40 Prozent der Bevölkerung sagen, dass sie wegen der Teuerung schlecht schlafen. Dafür wird die große Regierungspartei verantwortlich gemacht, ob zu Recht oder zu Unrecht. In Niederösterreich muss das Mikl-Leitner ausbaden, obwohl sie wahrscheinlich persönlich gar nicht viel falsch gemacht hat."

Der Prognosewert dieser Umfrage ist allerdings überschaubar, räumt Beutelmeyer ein: Solange kein Wahlkampf stattgefunden hat, liefert die Sonntagsfrage nur das aktuelle Stimmungsbild, an dem sich bis zum eigentlichen Wahltermin viel ändern kann.

Abkehr von der Kurz-ÖVP

Ob es diese Änderungen aber tatsächlich gibt, hängt auch davon ab, wie sich das gesamte politische Umfeld verändert – und da sieht es für die ÖVP eben unerfreulich aus: Bundesweit ist sie ja von 37,5 Prozent bei der Nationalratswahl 2019 in der Hochrechnung der jüngsten Market-Umfrage für den STANDARD auf 22 Prozent gefallen. Das bedeutet, dass bundesweit vier von zehn ÖVP-Wählern des Jahres 2019 der damaligen Kurz-ÖVP den Rücken gekehrt haben. In Niederösterreich wäre es laut Lazarsfeld-Umfrage mehr als jeder Dritte, der sich seit der Landtagswahl 2018 umorientiert hätte.

Auch methodisch weist die Lazarsfeld-Umfrage zwei Besonderheiten auf, die einen weiteren Interpretationsspielraum ermöglichen. Sie basiert erstens auf zwei der wöchentlichen Umfragewellen, die die Lazarsfeld-Gesellschaft durch das Market-Institut online durchführen lässt. Dabei sind die Stichproben – 1.000 Befragte pro Woche – repräsentativ für die Zusammensetzung der österreichischen Wählerschaft. Nimmt man nun aus mehreren Wellen allein die niederösterreichischen Befragten heraus und befragt diese zusätzlich nach ihrem Wahlverhalten, wenn jetzt ein neuer Landtag gewählt würde, dann ist die Zahl der Befragten mit n=745 immer noch beeindruckend hoch – ob die Zusammensetzung der niederösterreichischen Befragten aber auch die Zusammensetzung der Grundgesamtheit niederösterreichischer Wahlberechtigter hinreichend genau wiedergibt, ist aber nicht gewährleistet. Auch gibt es bei der nun veröffentlichten Online-Umfrage keine Ergänzung durch zusätzliche telefonische (CATI) oder persönliche (CAPI) Interviews, was in der Branche oft kritisiert wird. (Conrad Seidl, 26.8.2022)