Eine Satire auf den Wilden Westen: Michael "Bully" Herbig (li.) in seinem Film "Der Schuh des Manitu" als Winnetou.

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Unter den bisher erfolgreichsten deutschen Filmen hält sich nun schon seit 20 Jahren auf Platz eins Der Schuh des Manitu von Michael "Bully" Herbig. Eine Satire auf einen Wilden Westen, der sich die Elbe für einen Mississippi vorgaukeln ließ und in der Philisterstube seine wahre Bestimmung hatte. Wenn jetzt wieder über einen jungen Winnetou und über das Fortleben von Karl Mays Fantasien diskutiert wird, sollte man Herbigs Comedy als Wegmarke nehmen.

Denn zuerst einmal war das ja auch ein Exorzismus: Das ganze Imaginäre, das sich über ein Jahrhundert unter den Lesern der Amerika-Abenteuer des sächsischen Schreibtischhelden angesammelt hatte, wurde mit dem queeren Winnetouch, der Apatschenschönheit Uschi oder mit dem weißen Helden Ranger der Lächerlichkeit preisgegeben – also kritisiert.

Allerdings lebte in der Form dieser Kritik ein Begehren weiter: Die gigantische infantile Wunscherfüllung, die sich May mit seiner zum Ende hin ja dann auch noch welterlösenden Autorenmission ausgedacht hatte, blieb auch bei Herbig ein zwar verdruckstes, aber letztlich doch unverhohlenes "Indianerspielen". Mit diesem unbefangenen Begriff wurde in österreichischen Kindheiten noch in den 1970er-Jahren eine Praxis benannt, die oft auf Kopfschmuck oder Tomahawk sogar verzichten konnte – eine Holzbüchse vom Nachbarn mit der Drechselbank musste aber sein.

Ambivalente Position

Mit Der Schuh des Manitu hatten die Geschichten von Winnetou und Old Shatterhand einmal einen vollständigen Zyklus durchlaufen: von naiver Vorstellungskraft zu lustvoller Veräppelung. Die Karl-May-Filme der 1960er-Jahre, über die Herbig sich vor allem amüsierte, nahmen dabei eine ambivalente Position ein, denn sie waren selbst schon nicht wirklich satisfaktionsfähige Western, jedenfalls nicht im Vergleich zu Filmen von John Ford oder Anthony Mann.

Sie litten höchst erfolgreich unter dem Makel, dass schon Karl May keinen genuinen Zugang zu dem Genre hatte, denn der Western ist nun einmal eine amerikanische Kulturerzählung, in die sich der Winnetou-Stoff hineinflunkerte. Übrigens zu einem Zeitpunkt, als der Wilde Westen gerade noch in Betrieb war und erst allmählich die (Sieger-)Erzählungen darüber begannen.

Der Schuh des Manitu handelt letztlich von dieser Differenz, dass die Deutschen als verspätete Nation kein ernsthaftes Verhältnis zu den edlen Wilden haben können. Auch handelte er ein wenig von der 2001 noch wenig bestrittenen Annahme, sie wären nie richtig kolonialistisch gewesen.

Ein Bauernopfer

Für Menschen, die es übertrieben finden, dass ein Jugendbuchverlag nun ein Buch über den jungen Winnetou zurückzieht (ein Bauernopfer angesichts der Tatsache, dass der schwer erträgliche Film überall die Nachmittagsleinwände okkupiert), ist das immer das zentrale Argument: Unser Winnetou hat doch mit dem Leid der amerikanischen Ureinwohner (oder auch nur ihrer erforschten Lebenswirklichkeit) nichts zu tun. Das ist doch alles lokale mitteleuropäische Mythologie und als solche zwar aufklärbar, aber nicht wegsperrbar.

Zudem ist der Verweis berechtigt, dass Karl May verschiedene Zentralheizungen in seinem Werk am Laufen hatte, eine davon auf jeden Fall eine antikoloniale. Quer über den Erdball nahm er leidenschaftlich Partei für bedrohte Völker (wenngleich kontaminiert durch agonale Vorurteile: zu den noblen Apatschen brauchte er halt weniger vorbildliche Komantschen oder gar heftig skalpierende Kiowas).

Blockfreie Western

Er hatte einen ausgeprägten, wenn auch nicht stark reflektierten Begriff von Imperialismus. Auch geistern ein paar Versprengte der deutschen Revolutionen des 19. Jahrhunderts durch sein Werk. Es gäbe also genügend Ansatzpunkte für eine postkoloniale Lektüre nicht nur von Winnetou, sondern auch seiner großen Kolportage-Reißer wie Das Waldröschen.

Dafür fehlen letztlich doch die Voraussetzungen. Das hat mit dem falscheren Bewusstsein zu tun, dem das deutsche Kino im Unterschied zum amerikanischen immer noch oft unterliegt: Das Fake-Hollywood der Nazis hat über die Heimatfilme (zu denen auch die blockfreien Western mit Pierre Brice und Lex Barker zählen) Nachwirkungen bis in eine Gegenwart, die kulturelle Räume gar nicht anders als in Form von Besitzständen sehen kann.

Politisch korrekt

Dass es zwischen dem jungen Winnetou und dem historischen Geronimo oder seinen damaligen oder heutigen Landsleuten eine Darstellungsbeziehung gibt, die auf Adäquatheit abzielen müsste, ist allerdings keine brauchbare Lösung für das Traditionsproblem, das hinter allen Diskussionen über kulturelle Aneignung steht: Diese folgt dem Muster individueller Sozialisation. Nur das Durcharbeiten durch irrige, romantische, erregte Identifikationen schafft ein ausgeglichenes Individuum, wie man es sich gern als Ergebnis von Selbstbildung – und als Mitbürger im Staat – denken möchte.

Die politische Korrektheit sucht nach Abkürzungen in diesem Prozess (#Winnetoo), droht damit aber den Schuh mit dem Manitu auszuschütten. (Bert Rebhandl, 27.8.2022)