Kürzlich erregte ein Video vom Klang eines Schwarzen Lochs großes Aufsehen. Die Geschichte mag auf den ersten Blick absurd anmuten, stammt aber tatsächlich von der US-Weltraumagentur Nasa, die bereits im Mai Daten des auf Röntgenstrahlung spezialisierten Weltraum-Observatoriums Chandra in Ton verwandelte. Es sei der "echte Klang eines Schwarzen Lochs", wird erklärt.

Wie ein Schwarzes Loch klingt – wenn es nach der Nasa geht.
NASA's Marshall Space Flight Center

Tatsächlich sind in dem Video tiefe Töne zu hören, die, je nach individuellem Eindruck, unheimlich oder meditativ klingen und irgendwo zwischen alten Science-Fiction-Soundeffekten und dem Brummen einer indischen Brahmari-Atmung angesiedelt sind. Eigentlich gebe es im All keinen Schall, heißt es von der Nasa, weil sich Schall im luftleeren Raum nicht ausbreiten kann. Um das Schwarze Loch im Zentrum des Perseus-Clusters, der als eines der massereichsten Objekte des sichtbaren Universums gilt, gebe es aber genügend Gas, um die Fortpflanzung von Schall zu erlauben. Und der sei nun hörbar gemacht worden.

Extrem dünnes Gas

Eine etwas genauere Betrachtung wirft allerdings verschiedene Fragen auf. Interstellare Gaswolken mögen auf Teleskopbildern als dichte Formationen erscheinen, sind in Wirklichkeit aber so dünn, dass sie auf der Erde mit Leichtigkeit als Vakuum durchgehen würden. Das gilt auch für das Gas um das Schwarze Loch. Es kann sich also kaum um Schall handeln, wie wir ihn uns intuitiv vorstellen.

Tatsächlich ist die Frequenz des von Chandra aufgenommenen Schalls extrem niedrig, einige hundert Quadrillionen Mal tiefer als der tiefste für Menschen hörbare Ton. (Übrigens entspricht diese Differenz nur zwischen 57 und 58 Oktaven – ein Hinweis darauf, dass es sich bei Oktaven um ein völlig anders geartetes Maß handelt als um die offizielle Einheit für Frequenz, nämlich Hertz.)

Um die Schallwellen hörbar zu machen, mussten sie also enorm "getuned" werden. Dass die Nasa ein tiefes Brummen wählte und kein hohes Piepsen ist allein der künstlerischen Freiheit geschuldet.

Das hat auch für Kritik gesorgt. Chris Lintott schreibt auf Twitter, dass man keineswegs vom "Klang eines Schwarzen Lochs" reden könne und warnt davor, wissenschaftliche Ergebnisse als bedeutender darzustellen, als sie es eigentlich sind.

Kritik kommt etwa vom Astronomen Chris Lintott.

Andere Twitter-User sind weniger streng und posten ihre eigene künstlerische Bearbeitung des Signals.

Es ist nicht das erste Mal, dass Schallwellen rund um das Schwarze Loch im Perseus-Cluster hörbar gemacht wurden, bereits 2003 gab es solche Versuche. Diesmal habe man aber die tatsächlichen Schallwellen des Gases verwenden können, heißt es von Seiten der Nasa.

Auf das Gas wurde Druck ausgeübt, der sich dann wellenförmig ausbreitet. Das ist erstaunlich genug, heißt es doch eigentlich, dass im All Schallwellen unmöglich wären. Dass sie sich nicht im hörbaren Bereich befinden, ist angesichts der extremen Bedingungen keine Überraschung.

Schwarze Löcher sind hörbar

Tatsächlich gibt es kosmische Effekte, die sich sehr wohl im für Menschen hörbaren Bereich abspielen. Die Signale verschmelzender Schwarzer Löcher, die am Gravitationswellenobservatorien Ligo in den USA und Virgo bei Pisa aufgezeichnet werden, sind auch ohne Bearbeitung als schnell ansteigendes Summen zu hören, wenn sie auf einen Lautsprecher übertragen werden. Wären sie stark genug, würden wir das Vibrieren in unserer Umgebung hören, doch leider handelt es sich um Signale, die so schwach sind, dass es erst 2015 gelang, sie erstmals nachzuweisen.

Die von den Gravitationswellen verschmelzender Schwarzer Löcher verursachten Gravitationswellen erzeugen tatsächlich Vibrationen im hörbaren Bereich.
Caltech Ligo

Die von der Nasa publizierten Schallwellen sind also stark bearbeitet. Das lässt sich kritisieren, wirft aber die Frage auf, ob diese Kritik nicht auch auf die Visualisierungen von Astronomiebildern ausgeweitet müsste. Denn die dort dargestellten Farben sind ebenfalls Ausdruck einer gewissen künstlerischen Bearbeitung, woraus etwa die Nasa bei Publikationen zu Aufnahmen des James-Webb-Teleskops kein Hehl macht. Kürzlich wurde sogar eine wissenschaftliche Amateurin ins Boot geholt, die sich damit beschäftigt, eigentlich nicht sichtbare Phänomene ganz natürlich aussehen zu lassen.

Ähnlich lassen sich die beiden Aufnahmen vom Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs nicht mit dem Bild vergleichen, das man beim Blick durch das Objektiv eines Teleskops wahrnimmt. Es handelt sich um eine Visualisierung von Daten, die stark bearbeitet wurden – mit höchster wissenschaftlicher Sorgfalt. Letztlich bleibt es auch eine Frage des Geschmacks, für welches menschliche Sinnesorgan man wissenschaftliche Ergebnisse aufbereitet, worauf etwa die blinde Astronomin Wanda Díaz Merced aufmerksam macht, die für einen verstärkten Einsatz des Gehörs in der Naturwissenschaft wirbt.

Wissenschaft im Zwiespalt

Wissenschaftskommunikation sieht sich hier mit einem seltsamen Zwiespalt konfrontiert. Einerseits haben Abgehobenheit und Unzugänglichkeit gesellschaftlich einen äußerst schlechten Ruf, andererseits haben in der wissenschaftlichen Welt gerade abstrakte, fern der Erfahrung liegende Konzepte einen besonderen Reiz. Viele für unsere Gegenwart und Zukunft relevante Ergebnisse sind nicht anschaulich – was nichts an ihrer manchmal dramatischen Relevanz ändert. Dagegen kann Abstraktheit, etwa in der Mathematik, für sich genommen einen Reiz ausüben, was viele Mathematik-Witze beweisen. ("Eine Topologin fängt einen Löwen, indem sie sich in einen Käfig setzt und definiert: 'Ich bin außerhalb des Käfigs.' Damit sind alle Löwen automatisch im Käfig.")

Wissenschaft muss nicht immer anschaulich sein, sie ist oft dann am schönsten, wenn sie abstrakt und zu groß ist, um sie ganz zu erfassen. Wirklich bestaunen können wir nur Dinge, die in irgendeiner Form unseren Horizont übersteigen. Insofern ist es vielleicht klüger, die Unfassbarkeit von Schwarzen Löchern als etwas Wunderbares zu begreifen, statt Töne zu publizieren, die wenig bedeuten.

Doch nachdem das gesagt ist, lässt sich auch festhalten: Wissenschaft muss – der Witz beweist es – nicht immer ernst sein. Und die Idee eines klingenden Schwarzen Lochs regt Diskussionen an, die uns am Ende womöglich schlauer zurücklassen, als wir es zuvor waren – ein von der Nasa offenbar einkalkulierter Nebeneffekt. (Reinhard Kleindl, 30.8.2022)