"Ich glaube, es wäre wichtig, hier redaktionell zu berichten", schrieb Stiftungsrat Neuschitzer an den ORF Kärnten, im Anhang eine Aussendung des Landes.

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Siggi Neuschitzer ist ORF-Stiftungsrat, stammt aus Kärnten und führt dort ein Hotel. Er kam über die Kärntner Freiheitlichen in das ORF-Gremium, sein Vertrag wurde von dem roten Landeshauptmann Peter Kaiser mehrmals verlängert, und er ist bekannt dafür, vieles gemeinsam zu denken: ORF, Kärnten und sein eigenes Geschäft.

E-Mails, die dem STANDARD vorliegen, dokumentieren, wie sich Neuschitzer als Stiftungsrat zwischen 2014 und 2016 mit Kaiser austauschte und sich mehr als bisher bekannt in die Programmgestaltung des ORF einmischte – ohne dabei mit seiner Sicht auf gewisse Journalistinnen zu sparen.

Kaisers Skepsis verflogen

Bereits 2011 wurden Interventionsversuche Neuschitzers beim ORF öffentlich. In einem Brief an den damaligen Chefredakteur verlangte er personelle Konsequenzen als Folge eines kritischen Berichts über Kärntner Politiker. Einige Jahre später zeigte er sich reuig: In redaktionelle Belange werde er sich "nie mehr einmischen", sagte er.

Dieses Versprechen gab Neuschitzer im Jahr 2014, kurz nachdem er von dem mittlerweile rot geführten Land Kärnten wiederbestellt worden war. Als Neuschitzers Interventionsversuche publik wurden, hatte Kaiser selbst als damaliger roter Oppositionschef vor "ungarischen Zuständen" gewarnt.

Drei Jahre später schienen Kaisers Vorbehalte ausgeräumt gewesen zu sein: Ende Jänner 2014 schickte Neuschitzer eine Mail an Kaiser mit dem Betreff "ORF Neuigkeiten". Besonderes Anliegen Neuschitzers war die Starnacht am Wörthersee, deren Finanzierung er gefährdet sah.

"Bilder von Kärnten in die 'Welt hinaus'"

Neuschitzer informierte Kaiser über angebliche Budgetdiskussionen und versprach, diesbezüglich sein Mandat im ORF zu nutzen und nach Wien zu "pilgern". Er lege sich "auf alle Fälle 'ins Zeug'", man brauche die "schönen Bilder von Kärnten in die 'Welt hinaus'". Gezeichnet ist die Mail mit "Dein Kärntner Stiftungsrat 'aus Leidenschaft'".

Auf Nachfrage sahen weder Neuschitzer noch Kaiser, der ORF oder Ex-Generaldirektor Alexander Wrabetz ein Problem. Dass sich ein Stiftungsrat mit der Landesregierung zum Programm austausche, sei "kein ernstzunehmender Vorwurf", hieß es aus Kaisers Büro. Wrabetz sagte, dass er die Fortführung der Starnacht 20 Jahre ohne "irgendwelche direkte oder indirekte Anregung" beschlossen habe. Dass Stiftungsräte Landeshauptleute informieren, sei legitim. Neuschitzer rechtfertigte sein Engagement für Kärnten im ORF bereits 2014 so: "Was für Kärnten gut ist, ist für die Region gut, und was für die Region gut ist, ist für mein Hotel und meine Familie gut." Auf das Programm habe er keinen Einfluss, teilte er auf Anfrage mit.

"Eine lästige Kärntnerin"

Neuschitzer kontaktierte den Landeshauptmann nicht nur wegen ORF-Neuigkeiten. Mindestens dreimal schickte er Presseaussendungen des ORF direkt an Kaiser. "Das war nun aber nicht mein 'Werk'", schien er sich im Februar 2014 vor dem Landeshauptmann zu rechtfertigen. Kaiser war wegen des Hypo-Desasters in der "Pressestunde". "Mit Antonia wird es schon funktionieren. Morgen Villach?", schrieb Neuschitzer. Gemeint war Antonia Gössinger, Ex-Chefredakteurin der Kärntner "Kleinen Zeitung", damals noch Politikchefin. Gössinger sagte zu Neuschitzers Mail: "In Kenntnis der Person Neuschitzers regt mich das nicht auf."

Wenige Monate später landete in Kaisers Postfach wieder eine Mail Neuschitzers mit einer Aussendung zum "Report", in dem Kaiser wieder zur Causa Hypo interviewt wurde. Neuschitzer wünschte Kaiser "viel Kraft". "Die Schnabl" sei "eine lästige Kärntnerin". Susanne Schnabl ist Moderatorin des ORF-"Report".

ORF: Jedwede Einflussnahme auszuschließen

Eine weitere Mail schickte Neuschitzer Ende Oktober 2019 an den ORF-Chefredakteur in Kärnten, Bernhard Bieche. Er leitete ihm eine Aussendung des Landes Kärnten weiter, in der eine Start-up-Kooperation angekündigt wurde. "Ich glaube, es wäre wichtig, hier redaktionell zu berichten", schrieb er. Außerdem freue er sich auf Mittwoch, denn "wir haben uns ganz toll vorbereitet". Das werde eine "gute Geschichte für Radio Kärnten", für die er sich mit dem Programmchef von Radio Kärnten, Martin Weberhofer, "perfekt abgestimmt" habe.

Neuschitzer betonte, dass er keine redaktionellen Entscheidungen treffen könne. Der ORF sagte, dass die Start-up-Kooperation Thema in einer Regierungssitzung war und darüber "wie über jede andere auch turnusmäßig" in Radio und Fernsehen berichtet wurde. Jedwede Einflussnahme sei auszuschließen. (Laurin Lorenz, 30.8.2022)