Wenig Vertrauen in andere Menschen – und auch in den Staat.

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Linz – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Zu diesem Grundsatz bekennen sich 32 Prozent der heimischen Wahlberechtigten völlig, weitere 50 Prozent "eher schon". Besonders stark ist die Zustimmung bei älteren Befragten, bei Menschen mit geringer Bildung und bei jenen, die sich generell als Pessimisten darstellen. Und das ist derzeit die Mehrheit: 47 Prozent sagen, dass sie der nahen Zukunft mit Skepsis und Pessimismus entgegensehen. Nur 23 Prozent bekunden Optimismus und Zuversicht. 62 Prozent sagen auch, dass sie für die nächsten zwölf Monate mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage rechnen.

Rekordniveau der Zweifel

Das geht aus der August-Umfrage des Linzer Market-Instituts (817 Befrage, repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung) für den STANDARD hervor. Market stellt die Frage nach Optimismus oder Pessimismus regelmäßig, so schwach war der Optimismus allerdings noch nie ausgeprägt, der Pessimismus befindet sich gleichzeitig auf Rekordniveau, ebenso die Zweifel an der wirtschaftlichen Entwicklung.

Als besonders pessimistisch erweisen sich die Anhänger der Freiheitlichen. Wähler von ÖVP und Grünen blicken dagegen relativ zuversichtlich in die nächste Zukunft. Allerdings repräsentieren diese beiden Parteien derzeit zusammen nur noch ein Drittel aller Wahlberechtigten.

Den Wählerschaften von Grünen und ÖVP ist auch gemeinsam, dass sie deutlich mehr Vertrauen in andere Menschen setzen, als das die Anhänger anderer Parteien tun. Es sind die einzigen Gruppen von Befragten, die der Aussage "Den meisten Menschen kann man vertrauen" mehrheitlich zustimmen.

Mehrheit hat kein Vertrauen in andere

In der Gesamtbevölkerung überwiegt das Misstrauen: Nur vier Prozent stimmen voll, weitere 37 Prozent mehrheitlich zu. 38 Prozent sagen dagegen, man könne den meisten Menschen eher weniger vertrauen, 15 Prozent vertrauen den meisten Menschen gar nicht. Die Haltung der Österreicher unterscheidet sich damit kaum von jener der Deutschen. Laut einer in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlichten Untersuchung des World Values Survey stimmen auch die Deutschen nur zu 42 Prozent der Aussage zu, dass man den meisten Menschen vertrauen kann – in China sind es dagegen 64 Prozent, in Brasilien bloß sieben, um die Extremwerte zu nennen.

Deutlich anders fallen die Antworten aus, wenn man fragt, ob man Menschen vertraut, denen man zum ersten Mal begegnet: Dem stimmen nur zwei Prozent völlig und 21 Prozent überwiegend zu. Mit in Summe 23 Prozent liegt die Vertrauensbereitschaft der Österreicher international weit hinten: In Großbritannien vertrauen 55 Prozent einer Person, der sie zum ersten Mal begegnen, in den USA sind es 39 Prozent und in Deutschland 31. Das größte Misstrauen neuen Bekannten gegenüber zeigen jene Menschen, die sich als Wähler der Freiheitlichen deklarieren.

Apropos Parteineigung: Der STANDARD ließ auch fragen, ob man Menschen mit einer anderen politischen Einstellung vertraue. Dem stimmten acht Prozent völlig und weitere 42 Prozent überwiegend zu. Auch hier sind es wiederum die Freiheitlichen, die besonderes Misstrauen bekunden. Die Wähler der Freiheitlichen bekunden (ähnlich wie die Wähler von MFG) große Skepsis gegenüber den Informationen in klassischen Medien – den sozialen Medien trauen sie allerdings auch nicht. Gottvertrauen zeigen erwartungsgemäß vor allem Wähler der ÖVP, Vertrauen in Menschen anderer Nationalitäten ebenso erwartungsgemäß vor allem Grünen-Wähler.

Wer glücklich ist, hat mehr Vertrauen

"Was wir auch sehen können, ist ein Zusammenhang von persönlichem Glücksgefühl und Vertrauen. Wer sich selbst als uneingeschränkt glücklich einschätzt, lehnt meist auch die Aussage ab, dass man Kindern beibringen sollte, anderen zu misstrauen. Und diese sehr glücklichen Menschen haben auch selbst mehr Vertrauen in ihre Umwelt", sagt Market-Institutschef David Pfarrhofer. Glückliche Menschen glauben auch eher, dass ihnen geholfen wird, wenn sie einmal Probleme bekommen sollten – und sie geben auch seltener an, dass ihr Vertrauen in andere schon öfter enttäuscht worden sei.

Diese Enttäuschung ist auffällig häufig bei FPÖ-Wählern anzutreffen – umgekehrt gibt ein Drittel der FPÖ-Wähler an, ziemlich oder gänzlich unglücklich zu sein. Dabei ist das persönliche Glücksgefühl über die Jahre – Market fragt danach seit dem Jahr 2012 – weitgehend gleich geblieben. Mit 22 Prozent sehr glücklichen und 58 Prozent eher schon glücklichen Menschen wird seit Monaten ein konstanter Wert ausgewiesen – während nur drei Prozent gar nicht und weitere 18 Prozent "eher nicht" glücklich sind.

Menschen, die allgemein pessimistisch sind, sind ähnlich wie die eher oder gänzlich unglücklichen Menschen häufig der Meinung, dass man den staatlichen Institutionen nicht vertrauen könne.

Wenig Vertrauen in den Staat

"Es ist schon ein ziemlich alarmierender Befund, wenn etwa jeder Zweite, den man fragt, ob man den staatlichen Einrichtungen bei uns vertrauen kann, sagt, dass man das eigentlich nicht kann. Leute mit geringer Bildung haben besonders wenig Vertrauen in den Staat – wer zumindest die Matura hat, weiß den Staat eher zu schätzen. Aber insgesamt bestätigt nur jeder Zwanzigste volles Vertrauen in den Staat", liest Pfarrhofer aus den Daten.

Am schärfsten unterscheidet sich das Vertrauen in den Staat entlang von Parteigrenzen: Während zwei Drittel der ÖVP-Wähler mehr oder weniger stark Vertrauen bekunden, misstrauen vier von fünf deklarierten Anhängern von FPÖ und MFG dem Staat als solchem. (Conrad Seidl, 5.9.2022)