Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sagt, die Energie Wien habe vermutlich reine Spekulationsgeschäfte (im Unterschied zu Termingeschäften zur Absicherung von Preisen und Lieferungen) gemacht. Etliche Fachleute unterstützen diese Vermutung.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, der Finanzstadtrat Peter Hanke und der Aufsichtsratspräsident der Wien Energie bestreiten das: keine reine Spekulation. Finanzfachleute, die sich in der überaus komplizierten Welt der Termingeschäfte ("Futures", "Margins" etc.) auskennen, sagen: Es kann sein, dass diese Geschäfte, ob nun reine Spekulation oder nicht, gut ausgehen – aber es könne auch sein, dass ein finanzieller und in der Folge ein politischer Super-GAU daraus entsteht. Das komme unter anderem auf Details der Verträge an – etwa wie die Laufzeiten und Stichtage sind. Dieselben Experten fügen dann noch hinzu, dass ein derartig großes Engagement jedenfalls mit einem internen Risikomanagement hätte abgesichert werden müssen, das im entscheidenden Moment "Stopp!" schreit.

Die Sozialdemokratie hat einen kräftigen Anteil an Mega-Finanzpleiten.
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Im Fall, dass der Super-GAU eintritt, wird die Wien Energie mit gewaltigen Milliardenbeträgen vom Staat gerettet werden müssen.

Die politischen Folgen werden dann nicht auf die Ablöse einiger Manager und (vielleicht) Politiker beschränkt sein, sondern der bereits ohnehin starke Rechtspopulismus und Obskurantismus wird einen massiven Schub erhalten. Insbesondere die SPÖ muss damit rechnen, dass ihr Zuwachs an Wählergunst der letzten Monate wieder in Gefahr gerät. Es war Montagabend peinvoll, Pamela Rendi-Wagner zuzuhören, wie sie das Wiener Gwirks zu verteidigen suchte.

Sparprogramme

Das hatten wir schon einmal. Mitte der 1980er-Jahre war die gesamte verstaatlichte Industrie (Voest, Alpine, Aluminium Ranshofen, Chemie Linz) praktisch pleite, nur die OMV nicht. Das Management war ganz überwiegend sozialdemokratisch. Ursachen waren eine Wirtschaftskrise, Parteibuchwirtschaft und Gewerkschaftsherrschaft in den Betrieben – und eine verzweifelte Spekulation der Voest-Tochter Intertrading. Die Verstaatlichte musste damals mit 100 Milliarden (Schilling) gerettet werden. Die damals von einem Staatsmann, Alois Mock, geleitete Oppositionspartei ÖVP zog mit. Der damalige Finanzminister, Ferdinand Lacina, ein Sozialdemokrat mit Verständnis für Wirtschaft, warf alle Vorstände hinaus.

In der Folge wurden aber die verstaatlichten Betriebe ziemlichen Sparprogrammen unterworfen und teilprivatisiert. Das wirkte sich in den folgenden Jahren äußerst ungünstig auf die Wählerschaft der SPÖ aus, denn die Arbeiter zogen zum neuen rechtspopulistischen Star Jörg Haider hinüber. Dass ebendieser Haider dann das ganze Land Kärnten mit seinen Machinationen bei der Hypo Alpe Adria in die Pleite stürzte, änderte nichts daran, dass seither die FPÖ die größte Arbeiterpartei ist.

Die Sozialdemokratie hat ihren kräftigen Anteil an Mega-Finanzpleiten (Bawag). Die Finanzinstrumente heißen im Jargon "Futures". Es hängt davon ab, welches der beiden eingangs geschilderten Szenarien eintritt, wie es um die "Future" der SPÖ bestellt ist. Da gerät vieles ins Rutschen, z. B. auch die Aussichten auf eine rot-grün-pinke Ampel. (Hans Rauscher, 30.8.2022)