Im Gastblog berichten die Forscherinnen und Forscher von ihren neuesten Funden in Hallstatt und deren Dokumentation mithilfe eines 3D-Scanners.

Wer in den letzten Monaten aufmerksam diesen Blog verfolgt hat weiß vielleicht schon einiges über die noch rätselhafte Holzkonstruktion, die in der Mitte des 12. Jahrhunderts v. Chr. im Hallstätter Hochtal gebaut wurde und seit mehreren Jahren durch Archäologinnen und Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) penibel freigelegt und dokumentiert wird. Wie im Juni angekündigt, konnten wir während des Sommers die Untersuchungen daran fortsetzen und einiges Neues und Interessantes zutage fördern.

Mit der Unterstützung durch die Salzwelten Hallstatt und die Salinen Austria AG konnte sieben Wochen am Befund gearbeitet werden. Ein Teil dieser Zeit musste jedoch auch wieder für den Auf- und Abbau der Infrastruktur, etwa das mehrteilige Grabungszelt, verwendet werden. Das Ziel der Kampagne, die Konstruktion im seit 2009 bestehenden Untersuchungsbereich vollständig freizulegen, nach allen Regeln der Kunst zu dokumentieren und dann dauerhaft mit dem zuvor abgegrabenen Lehm zu versiegeln, konnte aber erreicht werden.

Schematische Darstellung der bislang freigelegten Gesamtkonstruktion mit dem gekennzeichneten Untersuchungsbereich 2022.
Foto: J. Klammer

Die Funktion der Holzkonstruktion

Am äußeren Teil der Konstruktion ließen sich dann auch nach Norden hin drei Rundholzbalken feststellen, die allesamt wieder mit den bereits bekannten dreieckig ausgehackten Kerben versehen waren, deren Funktion leider wieder nicht klargemacht werden konnte. Es ließ sich aber erkennen, dass der äußere Teil an einer Stelle auch physisch mit dem Innenbecken verbunden war. Jene beiden auf die östliche Wand des Innenbaus aufgesetzten Rundhölzer wiesen an ihren Enden zugehackte Verjüngungen auf, die ursprünglich in entsprechende Stemmlöcher des äußeren Baus eingepasst waren. Dadurch, dass dieser nördlich gelegene Bereich wohl nach der Nutzungsphase hangabwärts umgekippt ist, hat sich diese Verbindung gelöst. Die drei Balken im Norden sind dabei zur Seite verkippt und haben sich so fast waagrecht abgelagert.

Der hier aus nördlicher Richtung fotografierte Untersuchungsbereich 2022 – gekennzeichnet ist die beschriebene ehemalige Verbindung.
Foto: A. W. Rausch – NHM Wien

Östlich dieser ehemaligen Eckverbindung verliefen die drei Balken bis an die Schnittgrenze weiter, wo sie an einen im rechten Winkel dazu liegenden Rundholz, ebenfalls mit dreieckigen Kerben versehen, anstießen. Wie vermutet verläuft das Bauwerk also noch über unsere Schnittgrenzen hinaus weiter und soll in einigen Jahren, nachdem wir darüber wohl zunächst wieder auf Gräber aus der Hallstattzeit gestoßen sein werden, weiter freigelegt werden.

Es bleibt also spannend, denn auch die Verwendung des Bauwerks konnte abermals nicht geklärt werden. Wieder fand sich kein aussagekräftiges Fundmaterial, obwohl Reste von stark korrodierten Bronzefragmenten und eine zwischen den beiden Konstruktionsteilen liegende Pfostenzwinge doch deutliche Hinweise liefern, dass es sich tatsächlich um ein Surbecken gehandelt haben könnte. Beides wurde nämlich auch in einem derartigen, 1939 ausgegrabenen Holzbau festgestellt, an dessen Fundstelle im Hochtal sich heute eine sehenswerte Rekonstruktion befindet.

Die 2022 entdeckte Pfostenzwinge.
Foto: A. W. Rausch – NHM Wien

Bei der Pfostenzwinge vermuten wir, dass es sich um ein Bauelement handelt, das bei der Konstruktion von aufgehenden Holzverbindungen für mehr Stabilität sorgen sollte. Wurde zum Beispiel ein Querbalken in eine aufrechtstehende Pfostengabel eingesetzt, so konnte dieser außer mit Schnüren noch zusätzlich mit einer derartigen Zwinge fixiert werden. Nägel oder gar Schrauben sind aus jener Zeit nämlich noch keine nachgewiesen.

Es kann gut sein, dass dieses Artefakt tatsächlich als Bauelement für eine Überdachung des Objekts gedient hat. Dass es eine solche gegeben hat, ist stark anzunehmen und wird durch drei nahe an den Ecken der Innenkonstruktion angetroffene, rechteckig eingestemmte Vertiefungen noch wahrscheinlicher. Da derartige Artefakte bisher erst selten nachgewiesen wurden, kann es aber auch gut sein, dass dieser Gegenstand gar nicht so verwendet wurde, wie wir es glauben und oben beschrieben haben. Falls es andere Deutungsansätze dafür gibt, können diese gerne in den Kommentaren mitgeteilt werden. Dabei sei auch auf die Möglichkeit hingewiesen, das Artefakt im 3D-Museum des Naturhistorischen Museums von allen Seiten zu betrachten.

Auf der Suche nach Nadeln

Neben weiteren, wieder zahlreich auftretenden organischen Funden wie dem Fragment einer Holznadel konnten auch zahlreiche Keramikscherben, teils mit Graphit gemagert, und Tierknochenfragmente festgestellt werden. Auch diese Fundgattungen, wenn auch nicht in der großen Menge, wie sie bislang bei den bereits entdeckten Surbecken angetroffen wurden, passen gut zu einer möglichen Verwendung als Pökelwanne.

Im Zwischenbereich der beiden Blockkonstruktionen konnte heuer zudem eine – ebenfalls durch den luftdichten Abschluss im dichten Lehm nahezu perfekt erhaltene – in die Spätbronzezeit datierte Keulenkopfnadel freigelegt werden. Sie weist so gut wie keine Korrosionsspuren auf, wodurch zu einem großen Teil noch die ursprünglich golden glänzende Oberfläche erhalten blieb. Ähnliche, als Gewandnadeln verwendete Artefakte konnten bereits 2017 aus dem Befund geborgen werden. Sie passen sehr gut in die bereits erbrachte dendrochronologische Datierung des Objekts in die Mitte des zwölften Jahrhunderts v. Chr., haben sich aber wahrscheinlich ebenfalls erst nach der Nutzungsphase des Bauwerks an deren Auffindungsort abgelagert.

Die nahezu perfekt erhaltene Keulenkopfnadel, die ihren Namen aufgrund der keulenförmigen Verdickung am hinteren Ende erhielt.
Foto: Daniel Oberndorfer – NHM Wien

Der Leo in der Lettn

Was uns sehr gefreut hat, war die abermalige Unterstützung, die wir durch unsere Kolleginnen Viola Winkler und Anna Haider vom 3D-Labor der Zentralen Forschungslaboratorien am NHM erhielten. Nachdem sie uns bereits 2021 erfolgreich bei der Dokumentation des Innenbeckens unterstützt hatten, traten sie auch dieses Jahr die Reise nach Hallstatt an. Auch heuer kam dafür der 3D-Strukturlichtscanner Artec Leo zum Einsatz. Dieser arbeitet komplett kabelfrei, und dank des eingebauten Bildschirms lässt sich der Scanvorgang direkt mitverfolgen.

Während des Scanvorgangs projiziert das Gerät ein Lichtmuster auf die Oberfläche der Ausgrabung und misst die Verzerrung des Lichts. Das ermöglicht die Berechnung einzelner dreidimensionaler Koordinaten, welche maßstabgetreu den Befund erfassen. Zusätzlich werden automatisch regelmäßig Fotoaufnahmen durchgeführt, welche bei der späteren Berechnung der Farbinformation zum Einsatz kommen. Die so entstehenden einzelnen Scans werden später in einer recht zeitaufwendigen Nachbearbeitung zu einem fertigen Gesamt-3D-Modell vereint.

Viola, Anna und Scanner "Leo" beim Einsatz in der Letten. Das 3D-Labor wurde die letzten Jahre am NHM im Zuge eines Infrastrukturprojekts aufgebaut, das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gefördert wurde.
Foto: A. Seisenbacher – NHM Wien

Besonders wichtig ist es, aus möglichst vielen verschiedenen Winkeln die Oberfläche auszuleuchten, um wirklich alle Bestandteile ausreichend zu erfassen, daher sind oft viele Scans und einiges an Körpereinsatz gefragt. Damit dem Befund nichts passiert, wurde eine Planke so positioniert, dass die beiden Forscherinnen über der Ausgrabung gut an alle Stellen herankamen. Oft verlangt das Scannen so großer Objekte einiges an Geschick und Muskelkraft, da "Leo "doch fast drei Kilogramm Gewicht auf die Waage bringt und weder die beiden Kolleginnen noch der Scanner in der Letten landen sollten.

Zusätzlich ist es für die 3D-Scanner schwierig, glänzende Oberflächen zu erfassen – daher musste zwischen den einzelnen Scans öfter Wasser abgesaugt werden, das über die Letten in den Befund floss. Im Lauf eines Vormittags war es so möglich, alle Bereiche einzuscannen und dann mit der Nachbearbeitung der Daten zu beginnen. Das aus den Ergebnissen des letzten und heurigen Jahres zusammengefügte 3D-Modell wurde gemeinsam mit einer Beschreibung und zusätzlichen Informationen für das 3D-Museum des NHM aufgearbeitet und wird dort bereits präsentiert.

Im 3D-Museum des Naturhistorischen Museums Wien werden mittlerweile über 140 3D-Modelle aus den unterschiedlichen Sammlungen kostenlos virtuell ausgestellt und Großteils auch zum Herunterladen angeboten. Somit ist es möglich, sich mit einem 3D-Drucker Objekte aus dem Museum daheim auszudrucken.

Hallstatt macht Radio

Und noch etwas Neues gibt es zu berichten: Bereits im Juni-Blogbeitrag angekündigt, ist die Radiosendung "Der Archäonaut" über den Sommer Realität geworden. Am 8. September wird um 19 Uhr bereits die dritte Folge im Freien Radio Salzkammergut ausgestrahlt. Danach ist die Sendung unbegrenzt unter diesem Link auch als Podcast verfügbar.

In der Sendung geht es neben den archäologischen Forschungen in und um Hallstatt generell darum, das vielschichtige Tätigkeitsspektrum eines am Naturhistorischen Museum arbeitenden Archäologen mitzuverfolgen. Wer sich also neben den tollen Forschungsergebnissen auch dafür interessiert, wie man als Archäologe oder Archäologin arbeitet, ist herzlich eingeladen, jeden zweiten Donnerstag im Monat das Freie Radio einzuschalten oder die Sendung als Podcast zu konsumieren. (Johann Rudorfer, Andreas W. Rausch, Viola Winkler, Anna Haider, 1.9.2022)