Steve Earle veröffentlicht mit "Jerry Jeff" sein drittes Tribute-Album für eine verstorbene Musikergröße.

Foto: Steve Shervin

Mit Verlust kennt Steve Earle sich aus. Wie er damit umzugehen hat, weiß er ebenfalls. Als wilder Hund und begnadeter Songschmied verlor er sich sogar selbst, war drogensüchtig und landete in den 1990ern sogar im Gefängnis. Seine eigenen Probleme hat er überwunden, gleichzeitig haben sie ihm eine Weltsicht beschert, die sensibel ist für Underdogs. Sein Vorbild passt ins Bild: der Tragöde Townes Van Zandt.

Townes hieß ein erstes von drei Tribute-Alben, die der 67-Jährige seit 2009 veröffentlicht hat – eine Sammlung von Songs seines 1997 abgetretenen Idols. Ein zweites Tribute schnitt er sich im Vorjahr aus dem Herzen, das Album J. T. beklagt den Tod seines an einer Überdosis gestorbenen Sohnes Justin Townes Earle. Nun ist aus dieser Form der Trauerarbeit mit Jerry Jeff ein Triptychon geworden. Noch ein Todesfall, noch eine Würdigung. Jerry Jeff steht für den Songwriter Jerry Jeff Walker, der ist vor zwei Jahren gestorben.

Walker hieß eigentlich Ronald Clyde Crosby und hat 1968 mit Mr. Bojangles eine Jahrhundertnummer geschrieben, die Earle auf seinem Album natürlich nicht auslässt. Zumal die Melancholie des Liedes mit Earles Tonfall bestens konveniert.

Steve Earle

Jerry Jeff Walker stammte aus New York, arbeitete in der Folkszene und zog in den 1970ern nach Texas, wo er in der Outlaw-Country-Szene landete. In jenem Soziotop, das in der Person Earles einen würdigen zeitgenössischen Vertreter hat. Ursprünglich waren es Typen wie Van Zandt, Willie Nelson, Kris Kristofferson oder Guy Clark, die zwar Country spielten, ideologisch eher den Idealen und Rauchgewohnheiten der Hippiekultur anhingen als dem Rodeoreiten und Lassowerfen.

Steve Earle

Earle gilt mit seinen linken Ansichten als Außenseiter im nicht für seinen Liberalismus berühmten Country-Fach. Gleichzeitig hat er etwa durch prominente Rollen in populären Serien wie The Wire ein großes Publikum.

Dem Fach entsprechend bieten Walkers Songs pragmatische Sichtweisen auf die Widrigkeiten des Lebens – inklusive einer unterschwelligen Renitenz, die das Salz in vielen Songs ist: I Makes Money (Money Don’t Makes Me); oder der existenzialistische Opener Getting By, den Earle mit seiner Begleitband, den Dukes, in einem das Country rockenden Kleid nach Hause trägt. Einen Hänger hat das Album nicht, dazu ist Earle zu souverän. Was wieder einmal zu beweisen war. (Karl Fluch, 2.9.2022)