Wer Mario Richters Job machen will, braucht Muskeln in den Armen und Präzision in den Fingern. Ersteres zum Schleppen von Möbeln und Kartons, Letzteres zum Verpacken. So wie heute. Der 37-Jährige steht im Esszimmer einer Wohnung in Wien-Währing und verpackt Suppenteller, sie sind blau-gelb-weiß geblümt und filigran bemalt. Richter legt sie behutsam auf einen Stapel Verpackungspapier und spart nicht damit: Mindestens drei Blätter umhüllen die Keramik auf allen Seiten, dann kommt der nächste Teller drauf. Über die Jahre hat er sich eine ganz spezielle Technik angeeignet, die besonders "fluffig" ist, wie er es nennt – bei Tellern ist das nicht unbedingt nötig, aber das Glas mancher Weingläser ist so dünn, erklärt Richter, dass diese besonders bruchanfällig sind.

Die Profis haben eine bestimmte Wickeltechnik, die vor Glasbruch schützen soll.
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Seit 19 Jahren übersiedelt Richter schon den Hausrat anderer Menschen. Seine Kollegen und er sind heute bereits den zweiten Tag in der 250 Quadratmeter großen Wohnung beschäftigt. Kleinkram und das Kinderzimmer waren gestern dran, heute geht es an die Küche und die großen Möbelstücke. Drei Tage sind insgesamt veranschlagt, rund 7000 Euro kostet dieser Full-Service-Umzug. Aufgeteilt wird der Haushalt auf zwei neue Immobilien, einen Sommersitz an der Alten Donau und ein Penthouse, das nur 200 Meter von der alten Wohnung entfernt liegt. "Das macht es einfacher", sagt Richter. Im Gegensatz zum Regen, der schon seit den frühen Morgenstunden vom Himmel fällt. "Für uns heißt das, dass wir alles noch dichter einpacken müssen."

Diesen Komplettservice nehmen vor allem Gutbetuchte in Anspruch, etwa Ärzte, Anwältinnen oder Menschen, die in der Finanzbranche arbeiten. Angeboten wird er vom Unternehmen Antstrans, einem von – so schätzt die Wiener Wirtschaftskammer – rund 100 bis 150 Umzugsunternehmen in Wien.

Seit 19 Jahren macht Mario Richter schon Umzüge für Kundinnen und Kunden.
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Oft seien die Bewohnerinnen und Bewohner selbst gar nicht anwesend, sagt Antstrans-Geschäftsführerin Debora Roschek-Horsky. Eine Vorbesprechung, nach der auch der Kostenvoranschlag erstellt wird, findet vier bis acht Wochen vor dem Umzug statt. Die meisten Kundinnen und Kunden packen nur eine oder zwei Kisten mit persönlichen Gegenständen vorab selbst, den Rest macht die Umzugsfirma. Häufig finden die Umzüge aus beruflichen Gründen statt, dann bezahlen die Unternehmen, bei denen die Kundinnen und Kunden arbeiten, den Komplettservice.

"Dass Fremde die eigenen Sachen übersiedeln, stört die meisten Menschen nicht. Sobald sie gesehen haben, dass wir zuverlässig und vertrauenswürdig sind, haben sie damit kein Problem", sagt Roschek-Horsky und spricht damit einen Missstand in der Wiener Umzugsbranche an. Denn unter den Firmen gibt es viele schwarze Schafe, die mit windigen Methoden arbeiten. Ein Gütesiegel der Fachgruppe Kleintransporteure soll Konsumentinnen und Konsumenten mehr Sicherheit geben. Zwölf Wiener Firmen tragen es, darunter auch Antstrans.

Regen erschwert die Bedingungen, dann muss alles extra dicht verpackt werden.
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Zum Komplettservice gehören neben dem Transport auch das Ein- und Auspacken und das Entsorgen sowie das Montieren von Möbeln, Lampen oder auch ganzer Küchen und das Aufhängen von Bildern. Im Team gibt es auch Tischler, die Möbel anpassen können, zum Beispiel die Arbeitsplatte in der Küche. Ein paar Tage nach dem Umzug kommen die Möbelpacker noch einmal vorbei, um letzte Arbeiten zu erledigen und das Verpackungsmaterial abzuholen, das, wenn möglich, wiederverwendet wird.

Tricks vom Profi

Um den Boden zu schützen, tragen Richter und seine Kollegen blaue Schuhüberzieher. Einer schlichtet gerade CDs in Kisten, ein anderer wickelt ein Samtsofa in Plastikfolie ein. "Hier ist Vorsicht geboten. Anders als Leder kann man Samt nicht direkt in eine Decke wickeln, weil diese zu sehr fusselt und der Stoff darunter leiden könnte", sagt Richter. Das ist nur einer von vielen Tricks, die die Profis kennen. Dazu gehört etwa der Rat, dass Möbel, wenn sie irgendwie durch die Tür passen, immer im Ganzen transportiert werden sollten, weil sie so langlebiger sind; oder eine spezielle Technik, wie man Kleidung faltet und verpackt, ohne sie hinterher bügeln zu müssen – ein Trick, auf den so manche, die selbst einpacken müssen, wohl neidisch wären. Heute ist das Team zu viert, "weil Zweierteams sich bewährt haben und sich so einer auch mal ausruhen kann, wenn er am Vortag besonders schwer tragen musste", sagt Richter. Es ist ein Knochenjob.

Sämtliche Möbel werden in Plastikfolie und Umzugsdecken gewickelt. In welcher Reihenfolge, das hängt vom Material ab.
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"Alles, was wir einpacken, ist auch versichert", erklärt Roschek-Horsky. Vorher kontrollieren die Mitarbeiter daher, ob Möbelstücke oder andere Gegenstände beschädigt sind. Nicht immer gibt es eine Garantie, dass alles unversehrt ankommt. Zimmerpflanzen sind etwa sehr schwer zu übersiedeln, da könne schon mal ein Blatt abbrechen.

Der Hausrat aus einer 250 Quadratmeter großen Wohnung wird auf zwei Wohnsitze aufgeteilt.
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Spezialwünsche gibt es auch immer wieder, wie beispielsweise beim aktuellen Umzug. "Mein Sohn hat sich gewünscht, dass seine Lego-Bausätze nicht zerstört werden", erzählt die Kundin mit einem Lachen, "obwohl die seit Jahren nur mehr Staubfänger sind." Ein Wunsch, den die Möbelpacker dennoch erfüllt haben.

Zum 23. Mal zieht die Kundin bereits um, es ist nicht das erste Mal, dass sie einen Komplettservice in Anspruch nimmt – und bisher habe sie am Ende noch immer alles wiedergefunden. (Bernadette Redl, 3.9.2022)