Ulrich Seidl hatte nie Scheu vor Tabuthemen. Weil er seinem Publikum viel zumutet, sind schnell Emotionen im Spiel. In der Debatte über die im Spiegel erhobenen Vorwürfe, er habe beim Dreh in Rumänien kindliche Darsteller "offenbar ausgenutzt" und zu belastenden Szenen genötigt, ist jedoch Besonnenheit gefragt. Bei einem aufgeladenen Thema wie Pädophilie und dem Umgang mit Kindern läuft man sonst Gefahr, vorschnell Urteile zu fällen.

Ulrich Seidl hatte nie Scheu vor Tabuthemen.
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In Sparta sind keine Kinder in pädophilen Sexszenen zu sehen – Seidl erzählt von einem Mann, der mit seinem unterdrückten Begehren ringt. Die Anschuldigungen gelten also den Setbedingungen, speziell der Arbeit mit Schauspielern. Dafür gibt es gegenwärtig verbindliche ethische Standards. Vor allem bei Kindern sind Umsicht und psychologische Betreuung unumgänglich.

Seidl arbeitet mit einem performativen Kalkül. Es richtet sich darauf, wie viel seine Darstellerinnen und Darsteller von sich selbst in die Rolle einbringen wollen. Dass sich dabei Grenzen verschieben, mag sein. Zulässig ist es, solange es konsensuell geschieht. Seidl streitet jegliche Verfehlungen ab. Die Förderinstitutionen sind nun gefordert, die Anschuldigungen zu prüfen. Das wird Zeit brauchen, doch es gibt Verträge und genug Menschen, die am Set beteiligt waren. Erst wenn Klarheit herrscht, ist auch der Moment für ein Urteil gekommen. (Dominik Kamalzadeh, 4.9.2022)