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Pro
von Petra Eder

Schon zu Ferienbeginn flattern bunte Prospekte mit ebenso farbenfrohen Schulartikeln ins Haus. Aus zeitökonomischer Perspektive scheint ein früher Einkauf auf den ersten Blick äußerst vernünftig. Das Angebot ist groß, die Nachfrage – sprich: Schlangen an der Kasse – kaum vorhanden.

Tatsächlich entpuppt sich die Zeitersparnis als Trugschluss. Egal ob Volksschule, Unter- oder Oberstufe: Täglich kommen in den ersten Schulwochen Sonderwünsche, die – selbstverständlich bis zur nächsten Stunde – gleichzeitig mit hunderten anderen gestressten Eltern oder Teenagern besorgt werden müssen. Das karierte A4-Heft mit Korrekturrand rechts, das linierte Quartheft ohne, das Vokabelheft mit drei Spalten und zum Drüberstreuen noch ein Bleistift im Härtegrad 1 bitte. Geht es um die Bandbreite an Heften, ist der Gedanke an die österreichische (Schul-)Bürokratie nicht weit. Warum also schon im Juli Zeit mit dem Einkauf verschwenden, statt im Schwimmbad zu liegen?

Kontra
von Sascha Aumüller

"Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Michail Gorbatschow hat diesen Satz so nie gesagt. Er fiel auch nicht zum Mauerfall im November 1989, wie Hobbyhistoriker gerne behaupten. Russische Forscher für angewandte Phrasendrescherei orten westliche Propaganda und/oder Übersetzungsfehler. Tatsächlich hatte Gorbi den Schulanfang im September im Sinn, als er proklamierte: "Wer zu spät kauft, den bestraft der Leonid."

Schon der frühere Generalsekretär der KPdSU und vierfache Held der Sowjetunion Leonid Breschnew strafte alle Genossinnen und Genossen Lügen, die behaupteten, man könne zum Schulanfang noch Hefte ergattern. Lange Schlangen gab’s dann vor den Geschäften, aber keine Waren. Wie gestern in Wien. Das nächste Mal wird einfach irgendwas gekauft, am besten lange vor Ferienbeginn. Man meldet sein Kind ja auch nicht erst bei der Geburt im Kindergarten an, sondern zwei Jahre davor. Also in Wien, nicht in der Sowjetunion. (RONDO, 8.9.2022)