Das Ergebnis war erwartet worden, am Montag kam dann die Bestätigung: Am Ende eines elend langen Auswahlprozesses wird die britische Außenministerin Liz Truss neue konservative Parteichefin und damit am Dienstag auch automatisch Premierministerin Ihrer Majestät.

Die neue Premierministerin von Großbritannien: Liz Truss.
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Die Machtübernahme bringt das Ende der gut dreijährigen Amtszeit von Boris Johnson. Zuvor hatten die Tories erneut demonstriert, dass sie Lügner, Nichtskönner und Scharlatane an ihrer Spitze dulden – solange diese nur Wahlen gewinnen. Die Unfähigkeit des Brexit-Populisten zu zielstrebigem Regierungshandeln war längst offensichtlich, immer neue Enthüllungen über Lockdown-Partys in der Downing Street empörten die Bevölkerung. Relevant wurde dies erst, als zwei Nachwahlen verlorengingen. Anfang Juli zwang die Fraktion den Chef zur Demission.

Klientelpolitik

In den Tagen danach wurde wortreich das verlorengegangene Vertrauen in die Politik beklagt. Dass die designierte Regierungschefin dies mit keinem Wort erwähnte, spricht Bände. Auch von innerparteilicher Versöhnung ist nicht die Rede. Gestützt auf die harte nationalistische Rechte ihrer Partei hat sich Liz Truss an die Spitze gekämpft. Sie will Unternehmenssteuern senken, Reiche entlasten, Handelskrieg mit der EU führen, den schottischen Nationalisten den Stinkefinger zeigen. Die eklatante soziale Ungleichheit wird eher noch zunehmen: Auf dem Rücken der arbeitenden britischen Bevölkerung erhält die klassische Tory-Klientel der Pensionisten Subventionen, während für junge Leute der Traum vom Eigenheim in unerreichbare Ferne rückt.

Wie werden die Briten damit umgehen? Angesichts des massiven Rückgangs der Reallöhne und einer Inflation im zweistelligen Bereich haben Berufsgruppen von Eisenbahnern, Strafverteidigern, Lehrern und Uni-Dozenten bis hin zu Krankenschwestern Arbeitskämpfe angekündigt. Auf die exorbitant steigenden Preise für Gas und Strom reagieren immer mehr Briten mit Zahlungsverweigerung. Zunehmend weniger Schottinnen und Schotten sowie Nordirinnen und Nordiren sehen ihre Zukunft in der Union mit England.

Truss wäre gut beraten, mit Ehrlichkeit und Augenmaß an ihre schwere Aufgabe zu gehen. Alle Anzeichen sprechen eher dafür, dass dem Königreich unter seiner noch weiter nach rechts rutschenden neuen Regierung schwere Zeiten bis hin zu politischen Unruhen bevorstehen. (Sebastian Borger, 5.9.2022)