Foto: Evan Agostini/Invision/AP

Kenner:innen des gepflegten und weniger gepflegten Boulevards wissen es längst: Leonardo DiCaprio hat sich von Model und Schauspielerin Camila Morrone getrennt. Die beiden waren seit 2018 liiert. Was Kundige seit dem 25. Geburtstag von Morrone am 16. Juni dieses Jahres wohl auch schon ahnten: Lange geht das nicht mehr, mit Morrone und DiCaprio. Denn schon siebenmal zuvor wurden die Partnerinnen des 47-jährigen Schauspielers spätestens dann zu seiner Ex, wenn sie älter als 25 Jahre wurden. Ein Reddit-User hat die Entwicklung des Liebeslebens des US-Schauspielers genau nachgezeichnet, was die inzwischen beachtliche Alterskluft zwischen DiCaprio und seinen Partnerinnen überdeutlich macht.

Foto: Screenshot / reddit.com

Es ist also ein recht offensichtliches Muster – mit dem DiCaprio bei weitem nicht allein ist und das eine lange Geschichte hat. Ältere Männer mit keiner nennenswerten Attraktivität, dafür aber Erfolg in ihrem Metier, Macht und Geld, die sich erstaunlicherweise immer in deutlich jüngere, normschöne Frauen verlieben – und sich wieder entlieben, wenn diese Frauen älter werden. Dass DiCaprio keine nennenswerte Attraktivität bietet, würden wohl viele bestreiten – jedenfalls entspricht er äußerlich nicht jenen Ansprüchen, die er selbst an Frauen stellt. Sie müssen so schön sein, dass sie vorwiegend mit ihrem Äußeren ihr Auskommen finden können, was freilich kein Drama ist. Diese Frauen sind beileibe nicht arm, Models verdienen bekanntlich gut. Das Modelbusiness ist eines der wenigen, in dem Frauen mehr verdienen als Männer. Ihr Körper, ihre Attraktivität ist ordentlich was wert – für kurze Zeit zumindest. Diesem Verständnis von "Wert" scheint auch Leonardo DiCaprio zu folgen, und so zieht er nun wohl zur nächsten Mittzwanzigerin, maximal – so wie seit 1999.

Medien erzählen die Geschichte vom "Liebes-Aus" praktisch immer entlang der Annahme, er habe entschieden, dass Schluss ist. Dass sie keine Lust mehr auf ihn hatte? Eine schier unmögliche Vorstellung. Vielmehr muss er von ihr genug haben, oder es ist eine "andere" im Spiel. Hat er seine "Model-Freundin mit IHR" betrogen?

Frauen mit "Ablaufdatum"

Während Frauen im Boulevard für jede Schönheits-OP zerlegt werden, wird das streng normierte Liebesleben von Männern wie DiCaprio selten negativ kommentiert. Im Gegenteil, bei Männern wie DiCaprio scheint das bis heute lässig zu sein, es schwingt noch immer etwas Mondänes, Bewunderndes in der Berichterstattung mit. Für DiCaprio, nicht für die Frauen. So nützt die "Krone" etwa die Gelegenheit, vom "Haltbarkeitsdatum" jener Frauen zu schreiben, die mal mit dem Schauspieler zusammen waren. So wie Milch, die sauer wird und zum Stinken anfängt – und deshalb entsorgt werden muss. Eine ausführliche Liste von Leonardos "Romanzen und Beziehungen" gibt es auch noch zum Bericht. Und "Catch him if you can" schreibt "Page Six" und macht damit klar: Er darf bleiben, ist heißer denn je – und sie ist längst weg.

Auch auf Twitter wird man indessen kreativ ob der rigiden Beziehungspolitik von DiCaprio:

Das Leid währt offenbar nur kurz, und schon will man DiCaprio in New York dabei beobachtet haben, wie er in einen Club geht und dort frei von Herzschmerz Party macht. Jeden Abend, wie "Quellen" berichten. Camila Morrone hingegen sei mit ihrer Mama in St. Tropez – zahllose Bikini-Fotos beweisen es. Traurig schaut sie dabei zwar nicht aus, dennoch fragt man sich besorgt: "Wie geht es nun für Camila Morrone weiter?"

Doch bekanntlich ist zumindest symbolisch der Feminismus in die Populärkultur längst vorgedrungen, und so geht es doch nicht ganz ohne Spitzen gegen DiCaprio mit feministischer Ausrichtung, wie Kollegin Laura Sophia Jung in der "Zeit" schreibt. Das Liebesleben des Stars werde durch Comedians wie Rick Gervais oder Amy Schumer auf die Schaufel genommen: Ersterer witzelte, dass sein Film "Once Upon a Time in Hollywood" zu lang für DiCaprios Partnerinnen sei, weil sie während des dreistündigen Streifens zu alt für den Superstar werden könnten. DiCaprio fand's offenbar lustig.

Variety

Anders als diese leicht verdauliche Kritik à la Hollywood liest sich hingegen die feministische Autorin und Comiczeichnerin Liv Strömquist, die DiCaprios Beziehungen als "nicht enden wollende Fahrradtour" mit "verschiedenen Menschen (…), die beruflich Schwimmkleidung präsentieren", beschreibt. Das würde den Gemeinten wohl nicht schallend lachen lassen. Im Vergleich sehr zahm klingt wiederum ein Kommentar von Amy Schumer bei der Oscarverleihung in diesem Jahr.

Schumer lobte den "engagierten Klimaaktivisten", dass er in "väterlicher Manier" für die Zukunft seiner Freundinnen sorge.

Graeme ONeil

Der Fokus solcher Kommentare bliebe vielmehr auf die jungen Frauen gerichtet, schreibt Jung, nicht auf den 47-Jährigen. Sie würden zu einer Masse und jeglicher Individualität beraubt. Sie zählen nur in Zusammenhang mit einem Mann. Dabei hätten Giselle Bündchen oder Blake Lively doch auch was geleistet, schreibt Jung. Ob es notwendig ist, deshalb die Leistungen seiner Ex-Partnerinnen aufzuzählen, sei dahingestellt. Denn es geht gar nicht darum, ob das tolle Menschen sind oder nicht. Dass ein Superstar wie Blake Lively gemeinsam mit ihren Mann Ryan Reynolds bei einem gemeinsamen geschätzten Vermögen von etwa 100 Millionen US-Dollar eine halbe Million für eine NGO spendet, tut nicht viel zur Sache. Die konkreten Ex-Freundinnen von Leonardo DiCaprio brauchen keinen feministischen Support.

Und ist es nicht einfach okay, es sind schließlich zwei Erwachsene, beide noch dazu enorm privilegiert, wenn auch einer noch mehr – aber dennoch: Was soll's also? Oder wie Alena Schröder schon 2019, als DiCaprio relativ frisch mit Camila Morrone zusammen war, schrieb: "Sie hat das straffe Bindegewebe und er die Kohle und den Einfluss, fair game!"

Eben nicht, hält sie schließlich fest. Denn es handelt sich um ein Machtgefälle, das zwischen einer jungen Frau – auch wenn sie selbst ein Star ist – und einem Mann jenseits der 30 fast immer automatisch existiert. So sei es nicht nur ihr "dehnungsstreifenfreier Modelkörper", den diese Männer sexy fänden, sondern sehr wohl auch dieses Machtgefälle, das sie offenbar heiß finden. Ein Machtgefälle, das sich aus einem "Mehr an Erfahrung, Status, Einfluss und Geld ergibt". Und es ist ein Machtgefälle, das nicht nur in der glamourösen Hollywood-Welt existiert, sondern das zahlreiche junge Frauen erleben, wenn sich Kollegen oder Vorgesetzte immer wieder an sie herankrebsen, ihnen schmeicheln und ungebeten in väterlicher Manier Tipps geben oder Beistand anbieten.

Objekt und Subjekt

Die Erklärung der Soziologin Eva Illouz, warum es diese Konstellation tatsächlich so oft gibt, kommt auch nicht ohne Rekurs auf Machtverhältnisse aus. Sie beschreibt die zeitgenössische Liebe als einen Markt, in dem das Begehren sich vor allem darauf richtet, was knapp ist. Jugend und das inzwischen immer schwerer zu erreichende aktuelle Schönheitsideal zum Beispiel sind so ein rares Gut. Es ist somit noch immer eine Geste der Überlegenheit, eine Zurschaustellung der Möglichkeit der Wahl, die mit Macht einhergeht. Demnach ist es tatsächlich wahrscheinlich, dass immer DiCaprio die Beziehungen beendet und erneut wählt.

Besonders gespannt muss man auf diese Wahl nicht sein. Es wird wohl wieder ein Verhältnis sein, in dem sie die Rolle des Objektes übernehmen muss, ein "Sein-für-andere", wie es Simone de Beauvoir schon 1947 beschrieb. Während er das Subjekt sein kann, unabhängig von anderen. Diese Beschreibung ist auch schon älter. Aber noch immer gut. (Beate Hausbichler, 6.9.2022)