Österreich ist ein wohlhabender, friedlicher, kleinerer Staat in Europa, dessen imperiale Vergangenheit lange zurückliegt und dessen Bewohner gerne in Ruhe gelassen würden. Von Zeit zu Zeit meldet sich aber die Weltgeschichte unangenehm vor unserem Schrebergartenzaun. Jetzt ist es wieder so weit. Der unangenehme Eindringling heißt Wladimir Putin.

Das ist der Zeitpunkt, wo es vielen in Österreich dämmert, dass es ganz gut wäre, hätten wir mehr außenpolitische und sicherheitspolitische Kompetenz und Diskussion im Lande.

Die Weltgeschichte meldet sich unangenehm vor dem österreichischen Schrebergartenzaun.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Das Europäische Forum Alpbach, eine traditionsreiche Diskussionsveranstaltung unter der neuen Leitung von Andreas Treichl, widmete jetzt einen Großteil seines Programms der Frage, wie sich ein "neues Europa" in den neu geschaffenen sicherheitspolitischen Krisen verhalten soll – von der "Zukunft Russlands" über den Trend zu autoritären Herrschaften bis zur Zukunft der Neutralität.

Da zeigte der frühere schwedische Ministerpräsident Carl Bildt beeindruckend auf, wie Schweden jahrhundertelang neutral beziehungsweise bündnisfrei war und dann in einer dramatisch neuen Situation blitzartig in die Nato geht. In einem anderen Panel wurde sichtbar, welche Hoffnungen auf Österreich beim EU-Beitritt der sogenannten Westbalkanstaaten ruhen. Eine Kernfrage ist Serbien – ein Land auf dem Weg in die Autokratie, mit stark Putinfreundlichen Tendenzen. Hereinholen oder lieber draußen lassen? Österreich muss seine außenpolitische Kompetenz aufrüsten.

Wache Publizistik

Einen guten Beitrag bieten zwei neu erschienene Bände von erfahrenen außenpolitischen Journalisten. Raimund Löw, ganz früher AZ-, dann ORF-Korrespondent in Moskau, Peking usw., derzeit Falter-Kolumnist, bietet eine kommentierte Auswahl seiner Kolumnen aus 20 Jahren. 1999 schrieb Löw prophetisch: "Demokratische Modelle sind Russland von außen nicht aufzuzwingen: Dazu ist das Land zu riesig, und dazu gehen seine Traditionen zu tief. Umgekehrt aber könnte eine demokratische Stabilisierung in Russland sehr wohl durch eine andauernde Polarisierung gegen den Westen zunichtegemacht werden."

Kurt Seinitz, der langjährige außenpolitische Chef der Krone, weist in seinem Erinnerungsbuch auf die Konstante der russischen Geschichte hin: "Warum ist es seit dem frühhistorischen Abschütteln des ‚mongolischen Jochs‘ der Inbegriff von Unfreiheit und geistiger Abschottung geblieben? Weshalb endet alle Macht stets in der absoluten Allmacht einer Person?" Seinitz liefert aber auch für China, dem stets sein besonderes Interesse galt, klare Einsichten: "China ist das einzige Weltreich der Geschichte, das wieder zurückgekehrt ist – das größte Comeback aller Zeiten."

Das ist alles nicht (mehr) weit weg, sondern Teil unseres künftigen Wohlergehens. Österreichs Regierende haben das zuletzt vernachlässigt, sie reden mit den Wählern nicht gern über Außen- und Sicherheitspolitik. Das muss jetzt eine wache Publizistik übernehmen. (Hans Rauscher, 7.9.2022)